Patente im Life-Science-Bereich

Patente im Life-Science-Bereich stellen einen bedeutsamen Faktor für Biotechnologie und Pharmazie dar. Der Schutz biotechnologischer Erfindungen ist wesentlich für die Verwertung von Forschungsergebnissen von Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen. Weit mehr als im technischen oder chemischen Bereich unterliegt die Patentierung biotechnologischer Erfindungen jedoch besonderen gesetzlichen Bedingungen.

Was ist patentierbar und was nicht?

Im Juli 1998 hat der europäische Gesetzgeber die Richtlinie 98/44/EG erlassen, welche sich mit dem rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen befasst. Die Richtlinie wurde 2004 durch den Bundestag in eine nationale Gesetzgebung umgesetzt. Gemäß Patentgesetz sind Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren und die ausschließlich durch solche Verfahren gewonnenen Pflanzen und Tiere nicht patentierbar. Gleiches gilt für Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden. Davon ausgenommen sind jedoch Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in solchen Verfahren. So können beispielsweise neu entwickelte Operationstechniken nicht über ein Schutzrecht monopolisiert werden. Dafür speziell entwickelte neue Operationsgerätschaften sind dagegen patentfähig. Gleiches gilt für ein neues Diagnoseverfahren, welches nicht patentfähig ist, während das zur Diagnoseerstellung entwickelte Diagnosegerät über ein Schutzrecht monopolisiert werden kann. Wesentlich für den Ausschluss der Patentfähigkeit ist jedoch, dass das Verfahren am Patienten ausgeführt wird. Verfahren, die beispielsweise eine Biopsie und ex-vivo-Diagnose umfassen, sind demnach möglicherweise patentfähig. Der Patentierungsausschluss für chirurgische, therapeutische und diagnostische Verfahren soll dem behandelnden Mediziner oder Therapeuten die bestmögliche Versorgung des Patienten ermöglichen. Ebenfalls nicht patentierbar sind:

  1. Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen
  2. Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens
  3. die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken
  4. Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.

Patentierbar dagegen sind Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, wenn die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist. Auch Erfindungen, die ein mikrobiologisches oder ein sonstiges technisches Verfahren oder ein durch ein solches Verfahren gewonnenes Erzeugnis zum Gegenstand haben, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt, sind patentierbar. Ebenfalls patentierbar sind Peptide, Proteine und Nukleinsäuresequenzen sowie Gene, sofern hierzu eine Funktion angegeben werden kann. Das bekannteste Beispiel für die Patentierung von Tieren ist die 1992 angemeldete sogenannte Harvard-Maus, welche in den USA patentiert wurde. Dieser wurde ein Krebsgen eines Menschen übertragen, um mit der Hilfe dieser Maus die Entstehung von Krebs besser erforschen zu können. Gemäß der Entscheidung T 356/93 des Europäischen Patentamts (EPA) bezieht sich der Begriff „mikrobiologische Verfahren“ auf Verfahren, in denen Mikroorganismen (oder Teile derselben) zur Herstellung oder Veränderung von Erzeugnissen verwendet oder für bestimmte Anwendungszwecke neue Mikroorganismen entwickelt werden. Als „mit Hilfe dieser Verfahren gewonnene Erzeugnisse“ gelten demnach durch Mikroorganismen hergestellte oder veränderte Erzeugnisse sowie neue Mikroorganismen als solche. Nach der Definition der Beschwerdekammer des EPA bezeichnet der Begriff „Mikroorganismus“ nicht nur Bakterien und Hefen, sondern auch Pilze, Algen, Protozoen sowie menschliche, tierische und pflanzliche Zellen, also alle für das bloße Auge nicht sichtbaren, im Allgemeinen einzelligen Organismen, die im Labor vermehrt und manipuliert werden können; diesen sind auch Plasmide und Viren zuzurechnen. Über die sogenannte medizinische Indikation lässt sich zudem die Verwendung bereits bekannter Naturstoffe patentrechtlich schützen. So ist beispielsweise die Wirkungsweise von Acetylsalicylsäure (Aspirin) als Schmerzmittel bekannt gewesen, die Eignung desselben Medikaments als Blutverdünner wurde jedoch erst später entdeckt. In diesem Fall wäre der bekannte Wirkstoff für die neuartige Verwendung patentfähig Die Patentierung von Stammzellen dagegen ist in einem nur sehr beschränkten Umfang und nur für bestimmte Verfahren möglich. Hierbei ist zudem das Embryonenschutzgesetz zu beachten.

Von Brokkoli und Tomaten

Besondere Beachtung in der Öffentlichkeit fanden zwei Verfahren vor dem Europäischen Patentamt, welche unter den Stichworten „Brokkoli“ und „Tomaten“ bekannt wurden. Zum einen ging es um ein Pflanzenzüchtungsverfahren, mit dem in Brokkolipflanzen der Anteil eines bestimmten, vermutlich Krebs vorbeugenden Inhaltsstoffs in den Pflanzen erhöht werden kann. Ähnliche Rechtsfragen wurden auch im Rahmen des sogenannten „Tomaten“- Patents geprüft. Dieses Patent bezieht sich auf ein Zuchtverfahren von Tomaten mit geringem Wassergehalt. Die Einsprüche, die gegen diese Patente eingelegt wurden, beruhten unter anderem auf der Begründung, es schütze ein im Wesentlichen biologisches Züchtungsverfahren für Pflanzen, das nach dem vom EPA anzuwendenden Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) vom Patentschutz ausgenommen sei. Die Große Beschwerdekammer (GBK) kam in ihren Entscheidungen (G 2/07 und G 1/08) vom 9. Dezember 2010 zu dem Schluss, dass Auswahl- und Züchtungsverfahren, die darin bestehen, das gesamte Genom von Pflanzen sexuell zu kreuzen, von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Solche Verfahren werden allein durch den Einsatz von molekularen Markern nicht patentfähig. Daher sei der Patentschutz für die durch dieses Kreuzungsverfahren gewonnenen Pflanzen nicht gegeben.

Dr. Jörg Smolinski, Patentanwalt Dresden

März 2014