Stellungnahme

Stellungnahme zur Überprüfung des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG (Subsidiarität der Nichtigkeitsklage)

Zusammenfassung

Der BDPA unterstützt in vollem Umfang eine ersatzlose Streichung des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG. Eine Modifikation des von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG lehnen wir ab. Dies würde zu einer Aufrechterhaltung der derzeitigen, für den Wirtschaftsstandort Deutschland nachteiligen Rechtslage führen. Der Umgang mit sich widersprechenden Entscheidungen aus Einspruchsverfahren und Nichtigkeitsklagen sollte der Rechtsprechung überlassen werden. Der BGH hat diesbezüglich bereits Grundsätze entwickelt. Eine merkliche zusätzliche Belastung der Verletzungsgerichte durch eine gesteigerte Komplexität der Feststellung des Schutzbereichs im Fall divergierender Entscheidungen ist nicht zu erwarten. Ebenso wenig sind merklich steigende Fallzahlen von Nichtigkeitsverfahren oder ein merklicher unnötiger Aufwand durch gegenstandslos werdende Nichtigkeitsverfahren zu befürchten.

Einleitende Bemerkungen

Notwendigkeit der vollkommenen Streichung des Subsidiaritätsprinzips

Der BDPA hält eine vollkommene Streichung des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG für angezeigt. Jedwede abweichende Regelung hätte zur Folge, dass einem Rechtssuchenden, der sich Klarheit über den Rechtsbestand eines Patents mit Wirkung für Deutschland verschaffen möchte, in einem Nichtigkeitsverfahren gegen ein Patent mit einheitlicher Wirkung (PeW) ein anderes, sachgerechteres Prozessrecht zur Verfügung stünde als in Verfahren gegen nationale deutsche Patente und europäische Patente, die mit Wirkung für Deutschland validiert wurden („klassische“ europäische Patente). Solange diese derzeit gegebene Situation aufrechterhalten wird, besteht die Gefahr, dass Nutzer das Einheitspatentsystem dem nationalen deutschen Patentsystem vorziehen, selbst wenn im jeweiligen Fall ein nationales Patent ausreichend wäre.

Für „klassische“ europäische Patente und PeWs ist ausschließlich das Einheitliche Patentgericht zuständig. Hinsichtlich der ausschließlichen Zuständigkeit für „klassische“ europäische Patente gelten jedoch für einen Übergangszeitraum von sieben Jahren Ausnahmeregelungen. In diesem Zeitraum können „klassische“ europäische Patente betreffende Klagen weiterhin bei nationalen Gerichten oder anderen zuständigen nationalen Behörden erhoben werden. Nach geltendem Recht kann der deutsche Teil eines sich im Einspruchsverfahren befindlichen europäischen Patents vor dem Einheitlichen Patentgericht mit einem Nichtigkeitsverfahren angegriffen werden, nicht jedoch vor dem Bundespatentgericht in einem nationalen Verfahren. Während der Übergangsphase besteht also ein Ungleichgewicht zwischen den Möglichkeiten des vermeintlichen Verletzers, sich gegen nicht rechtsbeständige Schutzrechte zu verteidigen. Gleiches gilt für Patente, bei denen die Einspruchsfrist noch läuft. Dieses Ungleichgewicht sollte daher durch ersatzlose Streichung des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG ausgeräumt werden.

Da die bisherigen Vorschläge zur Modifikation des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG, wie nachstehend ausgeführt, einen Rechtssuchenden schlechter stellen als eine ersatzlose Streichung, würde die vorstehend erläuterte Gefahr nur teilweise reduziert. Keine Modifikation könnte alle denkbaren Fallgestaltungen abdecken, die vom Subsidiaritätsprinzip ausgenommen sein sollen.

Unabhängig von dem oben angesprochenen Nachteil des deutschen Rechtssystems im Vergleich zum Einheitspatentsystem sollte es einem Rechtssuchenden grundsätzlich jederzeit möglich sein, den Rechtsbestand eines Patents unter Geltendmachung aller zur Verfügung stehender Gründe anzugreifen. § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG verweist jedoch den Rechtssuchenden auf das Einspruchsverfahren, solange dies möglich ist. Damit kann die geltende Rechtslage den genannten Grundsatz nicht gewährleisten.

Dies gilt insbesondere in folgenden Fallgestaltungen:

(a)     Es ist ein Verletzungsverfahren vor einem nationalen deutschen Gericht anhängig, bei dem ein nationales deutsches Patent oder ein europäisches Patent mit Wirkung für Deutschland (Streitpatent) geltend gemacht wird. Die Einspruchsfrist gegen das Streitpatent läuft noch.

In diesem Fall wäre der Beklagte gehindert, eine Nichtigkeitsklage vor dem BPatG einzureichen, mit der er die Chance hätte, einen qualifizierten Hinweis (§ 83 (1) PatG) innerhalb von sechs Monaten zu erwirken, um damit ggf. die Aussetzung des Verletzungsverfahrens zu bewirken. Dies ist mittels eines Einspruchsverfahrens kaum zu erreichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verletzungsklage zeitnah zur Patenterteilung erhoben wurde, da das Amt die Bearbeitung des Einspruchs erst nach Ablauf der neunmonatigen Einspruchsfrist aufnimmt. Zudem hat ein solcher gerichtlicher Hinweis größeres Gewicht als eine mögliche vorläufige Auffassung einer Patent- oder Einspruchsabteilung.

(b)     Es ist ein Verletzungsverfahren vor einem nationalen deutschen Gericht anhängig, bei dem ein nationales deutsches Patent oder ein europäisches Patent mit Wirkung für Deutschland (Streitpatent) geltend gemacht wird. Es ist bereits ein Einspruchsverfahren gegen das Streitpatent anhängig (Einspruchsfrist abgelaufen), jedoch mit einem anderen Einsprechenden.

Der Beklagte könnte hier allenfalls noch dem Einspruchsverfahren beitreten (§ 59 (2) PatG und Art. 105 EPÜ). Hier ist er gezwungen, das Einspruchsverfahren in dem Verfahrensstand anzunehmen, in dem es sich befindet, und kann daher das Verfahren nicht so eigenständig führen, wie ihm das mit einer Nichtigkeitsklage möglich wäre.

Erfolgt der Beitritt erst in einem europäischen Einspruchsbeschwerdeverfahren, so erlangt der Beklagte als Beitretender lediglich die Stellung eines sonstigen Verfahrensbeteiligten i. S. d. Art. 107 Satz 2 EPÜ. Bei einer Rücknahme der Beschwerde würde somit auch seine Verfahrensbeteiligung enden (Entscheidung G 3/04, LS). Der Beklagte könnte dann zwar das Nichtigkeitsverfahren einleiten, jedoch wäre der Aufwand im Einspruchsverfahren vergeblich gewesen. Zudem hätte der Beklagte wertvolle Zeit bis zum Erhalt eines qualifizierten Hinweises im Nichtigkeitsverfahren verloren.

Zudem wäre der beitretende Beklagte im europäischen Einspruchsbeschwerdeverfahren durch die strengen Vorgaben der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern zu verspätetem Vorbringen und Verfahrensgegenstand eingeschränkt. Es kann in solchen Fällen ohne Weiteres dazu kommen, dass der Beklagte ein entscheidungserhebliches Beweismittel nicht mehr wirksam in das Verfahren einführen kann. Der beitretende Beklagte muss zudem das Verbot der reformatio in peius zugunsten des Patentinhabers gegen sich gelten lassen, wenn nur der Patentinhaber Beschwerdeführer ist, so dass dem Beitretenden eine Einschränkung des Streitpatents, die weiter geht als die erstinstanzliche Entscheidung, verwehrt bleibt.

(c)     Weiterhin setzt der Beitritt in Fallgestaltung (b) einen eigenen, zulässigen Einspruch voraus. Wird der Einspruch als unzulässig abgewiesen, so ist der Beitritt vermutlich wirkungslos. Der Verletzungsbeklagte wäre wiederum auf die erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens mögliche Nichtigkeitsklage angewiesen.

(d)     Der Beitritt eines rechtsuchenden Dritten, gegen den noch keine Verletzungsklage erhoben wurde, ist nicht möglich, auch wenn dieser beispielsweise ein hohes Interesse daran hat, vor einem Markteintritt Rechtssicherheit im Hinblick auf den Rechtsbestand des jeweiligen Patents zu erlangen. Der Dritte ist in einem solchen Fall genötigt, eine ggf. aussichtslose (und unnötige) Feststellungsklage zu erheben, dass er das Patent nicht verletzt.

(e)     In einem Einspruchsverfahren gegen ein europäisches Patent stehen nicht alle Rechtsbestandsangriffe zur Verfügung, die mit einer Nichtigkeitsklage gegen die Wirkung des europäischen Patents für Deutschland geltend gemacht werden können. Insbesondere kann eine nachveröffentlichte zeitrangältere deutsche Patentanmeldung nur mit der Nichtigkeitsklage als Stand der Technik gemäß Art. 139 (2) EPÜ geltend gemacht werden. Weiterhin kann auch der Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme in Bezug auf ein europäisches Patent mit Wirkung für Deutschland ebenfalls nur mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Dies führt nach der geltenden Rechtslage dazu, dass ein Beklagter oder ein aus anderen Gründen Rechtssuchender den Ablauf der Einspruchsfrist oder den Abschluss eines Einspruchsverfahrens abwarten muss, bevor er im Rahmen einer Nichtigkeitsklage diese Angriffe auf den Rechtsbestand eines europäischen Patents mit Wirkung für Deutschland führen kann (BGH, Urt. v. 19.04.2011, X ZR 124/10 – Mautberechnung).

(f)      Es ist noch kein Verletzungsverfahren vor einem nationalen deutschen Gericht anhängig. Dennoch kann ein Dritter ein hohes Interesse daran haben, den Rechtsbestand eines Patents vor einem Markteintritt zu klären, beispielsweise um vor einem Markteintritt Rechtssicherheit im Hinblick auf eine potenzielle Patentverletzung zu erlangen. Solange die Einspruchsfrist läuft, steht dem Dritten nach der geltenden Gesetzeslage ausschließlich das Einspruchsverfahren als Instrument zur Verfügung.

In einem solchen Fall kann die Nichtigkeitsklage jedoch Vorteile für den Rechtssuchenden haben. Insbesondere erhält er innerhalb von sechs Monaten ab Rechtshängigkeit der Klage einen gerichtlichen Hinweis nach § 83 PatG, aus dem er Rückschlüsse auf die Rechtsbeständigkeit bzw. den Erfolg der Klage ziehen kann. Dieser Hinweis kann auch als Verhandlungsmasse zur Erlangung einer kostengünstigen oder gar kostenfreien Lizenz in Verhandlungen mit dem Patentinhaber verwendet werden. Weiterhin besteht die bereits oben angesprochene Möglichkeit, in einem Nichtigkeitsverfahren Rechtsbestandsangriffe zu benutzen, die in einem Einspruchsverfahren nicht zur Verfügung stehen.

(g)     Die Tochtergesellschaft eines Herstellers von verletzenden Produkten oder ein Importeur oder ein Vertriebshändler, der diese Produkte angeboten oder in den Verkehr gebracht hat, wird von dem Inhaber des verletzten Patents verklagt. In diesem Fall ist der Hersteller daran gehindert, einem anhängigen Einspruchsverfahren beizutreten, solange er nicht ebenfalls vom Patentinhaber zur Unterlassung aufgefordert oder wegen Verletzung verklagt wurde. Eine Nichtigkeitsklage kann der Hersteller ebenfalls nicht erheben, solange das Einspruchsverfahren nicht abgeschlossen ist.

Aus diesen Gründen spricht sich der BDPA für eine Streichung des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG und gegen eine Modifikation von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG aus, mit der lediglich eine Partei, die wegen Verletzung eines Patents in Anspruch genommen wird, vom Subsidiaritätsprinzip ausgenommen wird.

Ein Angriff auf den Rechtbestand eines Patents sollte für jeden Dritten mit allen rechtlichen Mitteln möglich sein, da ein Patent auch als absolutes Ausschließlichkeitsrecht gegen die Allgemeinheit wirkt. Die Wahl des gesetzlich zur Verfügung gestellten Angriffsmittels sollte daher auch dem, aus welchen Gründen auch immer, Rechtssuchenden überlassen werden.

Mit der Streichung des § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG wird zudem eine Harmonisierung des nationalen Verfahrensrechts mit dem Verfahrensrecht nach dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht und den meisten EPÜ-Mitgliedstaaten erreicht.

Eine Modifikation von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG dergestalt, dass ein bestimmter Personenkreis vom Subsidiaritätsprinzip ausgenommen sein soll, bedingt, ebenso wie im Fall eines Beitritts zu einem Einspruchsverfahrens, eine Prüfung der Klageberechtigung. Damit entstünde zumindest in Fällen, in denen diese Frage zwischen den Parteien streitig ist, zusätzlicher Aufwand in Nichtigkeitsverfahren.

Zu den Fragen im Einzelnen:

A. Ersatzlose Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG

  1. Empfiehlt sich Ihrer Meinung nach – auch unter Berücksichtigung der seit 2021 erfolgten Neuerungen im nationalen und europäischen Patentrecht – eine ersatzlose Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG?

Antwort: § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG sollte aus den oben genannten Gründen ersatzlos gestrichen werden.

  1. Wie sollte man in diesem Fall mit der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in zwei kumulativ stattfindenden Verfahren umgehen?

Antwort: Eine diesbezügliche Ergänzung des PatG nach Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG ist nicht erforderlich. Der Umgang mit einer solchen Situation sollte der Rechtsprechung überlassen werden. Mit BGH, Urt. v. 20.03.2001, X ZR 177/98 – Trigonellin besteht bereits seit 2001 eine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Umgang mit divergierenden Entscheidungen im deutschen Beschränkungsverfahren nach § 64 PatG und im Einspruchsverfahren vor dem EPA. Der sich daraus ergebende Grundsatz kann auf widersprechende Entscheidungen aus Einspruchsverfahren und Nichtigkeitsklagen angewandt werden. Demnach verbliebe als Schutzumfang die Schnittmenge der beiden Schutzumfänge, die sich aus den sich widersprechenden Entscheidungen ergibt, d.h. geschützt wären nur solche Verletzungsformen, die gleichzeitig unter den jeweiligen Schutzumfang des Patents fallen, der dem Patent nach der jeweiligen Entscheidung zuerkannt wurde.

In seinem Urteil vom 6.12.2022, X ZR 47/22- Aminopyridin hat der BGH entschieden, dass für die Beurteilung, ob das Klagehindernis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG vorliegt, nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage. Dabei sind auch Änderungen zu berücksichtigen, die erst im Laufe des Berufungsverfahrens eingetreten sind. Ist das Einspruchsverfahrens vor dem EPA bestandskräftig abgeschlossenen, so ist die Nichtigkeitsklage nur insoweit zulässig, als sie darauf gerichtet ist, den Rechtsbestand des Patents in weiterem Umfang zu beseitigen, als dies nach der bindenden Entscheidung des EPA zu erwarten ist. Diese Grundsätze lassen sich auch auf solche Fälle anwenden, in denen beide Verfahren gleichzeitig anhängig sind und während dessen eines der Verfahren mit einer nicht mehr anfechtbaren Entscheidung abgeschlossen wird.

  1. Wie sollte man in praktischer Hinsicht mit der Schwierigkeit umgehen, dass vor Abschluss des Einspruchsverfahrens oder Nichtigkeitsverfahrens nicht feststeht, mit welchem Inhalt das Patent letztlich im jeweils anderen Verfahren Bestand haben wird?

Antwort: Solange beide Verfahren anhängig sind, sollte jeder der befassten Spruchkörper ohne Berücksichtigung des jeweiligen anderen Verfahrens seine eigene Entscheidung treffen. Details sollten der Rechtsprechung überlassen werden. Der Umgang mit sich widersprechenden Entscheidungen sollte gemäß unserer Antwort auf Frage A.2 erfolgen.

  1. Sollte man die Lösung der Fragen in Ziffer 3 Ihrer Ansicht nach der Rechtsprechung überlassen?

Antwort: siehe dazu unsere Antwort auf Frage A.3

  1. Könnte nach Ihrer Auffassung bei einer ersatzlosen Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG die Bestimmung des verbleibenden Schutzumfangs eines Patents bei divergierenden Entscheidungen in parallelen Rechtsbestandsverfahren der Rechtsprechung überlassen werden?

Antwort: Die dazu erforderliche Rechtsprechung besteht bereits zumindest in Grundzügen – siehe dazu unsere Antwort auf Frage. A.2.

  1. Bestünden aus Ihrer Sicht Bedenken im Hinblick auf das Trennungsprinzip im deutschen Patentrecht, wenn die Bestimmung des verbleibenden Schutzumfangs eines Patents in diesem Fall den ordentlichen Gerichten im Verletzungsverfahren obliegen würde?

Antwort: Der BDPA hat in dieser Hinsicht keinerlei Bedenken. Die Bestimmung des Schutzumfangs ist bereits jetzt originäre Aufgabe der ordentlichen Gerichte in Verletzungsklagen. Die ordentlichen Gerichte können dabei die bestehende diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigen (siehe dazu unsere Antwort auf Frage A.2).

  1. Bestünde aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass dadurch Verletzungsverfahren zusätzlich belastet und verzögert werden könnten?

Antwort: Nach Ansicht des BDPA würden Verletzungsverfahren durch eine ersatzlose Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG allenfalls in Ausnahmefällen zusätzlich belastet. Dies könnte in den seltenen Fällen sich widersprechender Entscheidungen geschehen, da sich hier die Bestimmung des Schutzbereichs komplexer gestaltet. Eine Verzögerung von Verletzungsverfahren ist nach Ansicht des BDPA nicht zu befürchten. Umgekehrt können Verletzungsverfahren sogar beschleunigt werden, wenn der Verletzungsbeklagte eine Nichtigkeitsklage sofort erheben kann, ohne den Ablauf der Einspruchsfrist oder die Entscheidung in einem Einspruchsverfahren abwarten zu müssen.

  1. Wie sollte das Schutzrecht nach Ihrer Auffassung in Fällen divergierender Entscheidungen in parallelen Rechtsbestandsverfahren (bspw. bei Beschränkung in unterschiedlichen Fassungen) im Register eingetragen werden?

Antwort: Im Register sind nur formelle Informationen über die Verfahren in Bezug auf das Patent (insbesondere Erteilungs-, Einspruchs-, Nichtigkeitsverfahren) und dessen Rechtsstand enthalten. Informationen über den sachlichen Umfang eines Patents werden nach der geltenden Lage nicht in das Register eingetragen, insbesondere nicht die Anspruchsfassung, die sich nach Erteilung oder nach einer Entscheidung in einem Einspruchs- und/oder Nichtigkeitsverfahren ergibt.

Dem Register sind nur die Veröffentlichungsdaten von Patentschriften oder geänderten Patentschriften nach dem Abschluss dieser Verfahren zu entnehmen. Die Anspruchsfassung und damit der jeweilige Schutzgegenstand des betreffenden Patents kann diesen Patentschriften entnommen werden. Die Bestimmung des sich ergebenden Schutzbereichs (ggf. als Schnittmenge der Schutzbereiche von Anspruchsfassungen gemäß sich widersprechenden Entscheidungen) obliegt dann dem Einzelnen bzw. dem jeweiligen Spruchkörper.

Somit ist nach Ansicht des BDPA keine Änderung der Eintragungspraxis erforderlich.

  1. Inwieweit sind nach Ihrer Auffassung Erfahrungen aus anderen Jurisdiktionen, in denen keine Subsidiarität des Nichtigkeitsverfahrens gegenüber dem Einspruchsverfahren besteht, auf das deutsche System mit Trennungsprinzip übertragbar?

Antwort: In Frankreich, den Niederlagen und Österreich besteht keine Subsidiarität des Nichtigkeitsverfahrens gegenüber dem Einspruchsverfahren. Da in Österreich ebenfalls das Trennungsprinzip besteht, kann dies als Indiz dafür gelten, dass eine Aufhebung des Subsidiaritätsprinzips nicht im Konflikt zum Trennungsprinzip steht.

Das Trennungsprinzip ist in dieser Hinsicht auch nur von untergeordneter Bedeutung. Auch in Jurisdiktionen ohne Trennungsprinzip besteht das Problem, dass für Nichtigkeitsklagen und Einspruchsverfahren unterschiedliche Spruchkörper zuständig sind. Ob der Spruchkörper, der in einer solchen Jurisdiktion für die Nichtigkeitsklage zuständig ist, auch gleichzeitig über eine Verletzung des betreffenden Patents entscheidet, ist für die Probleme, die sich aus einer Abschaffung der Subsidiarität ergeben, ohne wesentliche Bedeutung.

  1. Ist das Instrument der Aussetzung ausreichend und praktikabel, oder sollten daneben sonstige Handlungsmöglichkeiten des Verletzungsgerichts geregelt werden?

Antwort: Das Instrument der Aussetzung nach § 148 ZPO ist ausreichend und praktikabel, denn es ermöglicht dem Gericht einen flexiblen, insbesondere ermessensgemäßen Umgang mit der Frage der Aussetzung. Eine Anwendung dieses Instruments auf die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sollte der Rechtsprechung überlassen werden.

  1. Sollte es Regelungen zu Informationspflichten der Parteien im Sinne von Artikel 33 Absatz 10 Satz 1 EPGÜ geben, oder sollte dies der Rechtsprechung überlassen bleiben?

Antwort: Es sollte keine Regelung über die Auskunftspflicht der Parteien im Sinne des Artikels 33 Absatz 10 Satz 1 EPGÜ geben. Das Gericht kann jederzeit entsprechende Auskünfte verlangen und die Parteien sind zur Wahrheit verpflichtet. Im Übrigen wird eine der Parteien in der Regel Interesse daran haben, das Gericht über den Stand des parallelen Rechtsbestandsverfahrens oder der parallelen Rechtsbestandsverfahren zu unterrichten, um ihren Fall zu fördern.

  1. Gäbe es sonstige Aspekte, die regelungsbedürftig wären?

Antwort: Regelungsbedürftig Aspekte sollten der Rechtsprechung überlassen bleiben.

B. Modifikation von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG

Statt einer ersatzlosen Streichung enthielt der Referentenentwurf zum 2. PatMoG einen Vorschlag zur Modifikation von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG. Danach sollte dem Absatz 2 Satz 1 der folgende Satz 2 angefügt werden:

Dies gilt nicht, soweit eine Verletzungsklage erhoben worden ist; der Einspruch wird insoweit unzulässig, als eine Nichtigkeitsklage erhoben wird“.

Hintergrund dieses Vorschlags war die Überlegung, dass nur in den Fällen, in denen eine Nichtigkeitsklage als Reaktion auf eine anhängige Verletzungsklage erhoben werden soll, ein „Synchronisations-Defizit“ bestehe.

Gegen den zweiten Halbsatz des Regelungsvorschlages wurde allerdings u. a. eingewandt, er führe zu Rechtsunsicherheiten, weil in vielen Fällen streitig werden könne, in welchem Umfang ein Einspruchsverfahren noch zulässig sei.

Eine alternative Formulierung, die ebenfalls 2021 zur Debatte stand, lautet wie folgt:

Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des Patents kann nicht erhoben werden, solange ein Einspruch noch erhoben werden kann oder ein Einspruchsverfahren anhängig ist. Dies gilt nicht für eine Partei, die wegen Verletzung eines Patents in Anspruch genommen wird.“

  1. Wie bewerten Sie diese alternative Formulierung?

Antwort auf Fragen B.1 bis B.6: Der BDPA spricht sich für eine ersatzlose Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG aus und erachtet eine alternative Formulierung oder anderweitige Modifikation von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG aus den oben genannten Gründen für nachteilig.

Der BDPA verzichtet daher auf eine Stellungnahme zu den Fragen B.1 bis B.6.

  1. Wie sollte Ihrer Meinung nach – als Alternative zur ersatzlosen Streichung sowie zu o.g. Formulierungsvorschlägen – eine Modifikation von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG ausgestaltet sein, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden und den Personenkreis einzugrenzen, der vom Subsidiaritätsprinzip ausgenommen wird?

Antwort: keine Stellungnahme

  1. Sollte die Zulässigkeit der Erhebung der Nichtigkeitsklage nur allgemein von dem Nachweis eines Rechtsschutzbedürfnisses bzw. Feststellungsinteresses im Sinne eines berechtigten Interesses abhängig gemacht werden?

Antwort: keine Stellungnahme

  1. Sollte es im Falle einer Modifikation Regelungen zu Informationspflichten der Parteien im Sinne von Artikel 33 Absatz 10 Satz 1 EPGÜ geben?

Antwort: keine Stellungnahme

  1. Halten Sie eine Regelung zur Aussetzung entsprechend Artikel 33 Absatz 10 Satz 2 EPGÜ für erforderlich?

Antwort: keine Stellungnahme

  1. Gäbe es sonstige Aspekte, die regelungsbedürftig wären?

Antwort: keine Stellungnahme

C. Auswirkungen auf die Dauer von Nichtigkeitsverfahren

Zu den Fragen unter „C.“ stellt das BMJ einleitend fest: „Mit dem 2. PatMoG traten Rechtsänderungen in Kraft, die auf eine Beschleunigung der Nichtigkeitsverfahren sowie auf eine bessere Synchronisation mit den Verletzungsverfahren hinwirken sollten. Eine Modifikation oder gar Abschaffung des Subsidiaritätsgrundsatzes könnte zu steigenden Verfahrenszahlen bei den Nichtigkeitsklagen führen und dadurch die mit dem 2. PatMoG erwünschten Beschleunigungseffekte unter Umständen ganz oder teilweise konterkarieren.“ Folgende Fragen werden dazu gestellt:

  1. Halten Sie es vor diesem Hintergrund für angezeigt, vor einer strukturell wirkenden Änderung des Subsidiaritätsgrundsatzes zunächst die (weiteren) praktischen Wirkungen der o.g. Änderungen aus dem 2. PatMoG abzuwarten?

Antwort: Das 2. PatMoG weist keine im Hinblick auf die Subsidiarität der Nichtigkeitsklage relevanten Inhalte auf. Lediglich die Soll-Bestimmung zur Erstellung des qualifizierten Hinweises gem. § 83 PatG könnte sich zum Vorteil des Nichtigkeitsklägers auswirken. Der BDPA hält es somit nicht für angezeigt, (weitere) praktische Auswirkungen der Änderungen aus dem 2. PatMoG abzuwarten.

  1. Für wie wahrscheinlich halten Sie den Effekt steigender Verfahrenszahlen bei den Nichtigkeitsklagen im Fall einer Abschaffung der Subsidiarität? Lassen sich allgemeine Aussagen zur potentiellen Größenordnung eines solchen Effektes treffen?

Antwort: Nach Ansicht des BDPA besteht keine Gefahr, dass die Abschaffung des Subsidiaritätsgrundsatzes zu steigenden Verfahrenszahlen bei den Nichtigkeitsklagen führen und dadurch die mit dem 2. PatMoG erwünschten Beschleunigungseffekte konterkarieren könnte. Es ist nicht zu erwarten, dass ein Verletzungsbeklagter grundsätzlich auf ein Nichtigkeitsverfahren gegen ein Streitpatent verzichtet, auch wenn zuvor bereits ein Einspruchsverfahren (mit oder ohne seine Beteiligung) durchgeführt wurde.

Dem BDPA liegen keine Informationen vor, aus denen sich auf eine mögliche steigende Zahl von Nichtigkeitsverfahren schließen ließe.

  1. Bestünde aus Ihrer Sicht bei einer Modifizierung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG die Gefahr einer weiteren Verzögerung der Nichtigkeitsverfahren (bspw. durch die Prüfung eines berechtigten Interesses)?

Antwort: Der BDPA spricht sich mit Nachdruck für eine ersatzlose Streichung von § 81 Absatz 2 Satz 1 PatG aus und nimmt aus diesem Grund zu dieser Frage nicht inhaltlich Stellung.

  1. Wie hoch schätzen sie Gefahren ineffizienter Nichtigkeitsverfahren durch Fallgestaltungen ein, in denen einem Nichtigkeitsverfahren kurz vor der Entscheidung die Grundlage aufgrund einer Entscheidung im Einspruchsverfahren entzogen würde oder der Streitgegenstand durch eine beschränkte Aufrechterhaltung abgeändert würde?

Antwort: Nach Ansicht des BDPA dürfte es sich hier um eine allenfalls geringe Anzahl von Fällen handeln. Zudem können verfahrensrechtliche Instrumente, wie die Aussetzung und/oder Erledigterklärung, in derartigen Fallkonstellationen genutzt werden, um die Verfahren effizient zu gestalten.

verantwortlich: Prof. Dr. Thomas Eder, Dr. Bernd Janssen, Detlef von Ahsen, Rolf Lechner