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Das deutsche Patentwesen im Spannungsfeld europäischer und internationaler Interessen

UPC, TRIPS Waiver, die Situation in der Ukraine – die internationalen Themen dominierten den diesjährigen Parlamentarischen Abend des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte (BDPA), der nach Corona-bedingter Pause im vergangenen Jahr wieder in Berlin stattfinden konnte. Vertreter aus Politik und Patentanwaltschaft, von Behörden und Gerichten diskutierten aber auch die aktuellen Entwicklungen im deutschen Patent-, Marken- und Designrecht, tauschten erste Erfahrungen mit dem Zweiten Patentmodernisierungsgesetz (PatModG2) aus, um dann einen Ausblick auf ein PatModG3 zu wagen.

 

Das UPC kommt.

Parl. Staatssekretär im Bundesjustizministerium Benjamin Strasser, BDPA-Präsident Detlef von Ahsen

Das Einheitliche Patentgericht stellt derzeit in der finalen Phase vor dem offiziellen Start seine Arbeitsfähigkeit her. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, Benjamin Strasser, berichtete vom aktuellen Stand der Vorbereitungen. Die Interviews mit den Bewerberinnen und Bewerbern für die Richterstellen sind weitgehend abgeschlossen. Es wird damit gerechnet, dass noch im Mai der Beratende Ausschuss des Einheitlichen Patentgerichts zusammentreten und seinen Vorschlag für die Besetzung abgeben wird. Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte setzt auf eine hochkarätige Besetzung der Richterstellen – ein Garant für die Akzeptanz des neuen Gerichts. Denn die Rechtsprechung des neuen Gerichts wird mit Sicherheit international Beachtung finden und kann wegweisend sein für eine Harmonisierung der internationalen Rechtsprechung.

Der Weg zur mehr Impfstoffproduktionskapazitäten

Eine Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme strebt die Europäische Kommission auch mit einem europäischen Zwangslizenzsystem an – eine Initiative, die der BDPA unterstützt. Um weltweit die Produktion von Covid-19-Impfstoffen auszubauen, ist die Ausweitung von Lizenzverträgen und freiwilligen Kooperationen der richtige Weg. Für den Fall, dass Firmen die Kooperation verweigern, sieht das deutsche Patentrecht schon jetzt nicht nur eine Zwangslizenz, sondern auch die Möglichkeit der Benutzungsanordnung nach § 13 PatG vor. Diese im TRIPS-Abkommen verankerten Maßnahmen stellen geeignete, angemessene und gute Instrumentarien für eine Reaktion auf Notsituationen wie die Corona-Pandemie bereit.

BDPA-Präsident Detlef von Ahsen wies in seiner Rede darauf hin, dass diese Maßnahmen bereits vor dem Hintergrund von HIV und AIDS in den 90er Jahren einstimmig von den WTO-Mitgliedsstaaten auf Dauer in das TRIPS-Abkommen eingefügt wurden. Die Gesundheit eines Menschen ist ein höchstes Gut und gilt es zu schützen. Den Patentschutz für Impfstoffe in Frage zu stellen, kann aber großen Schaden anrichten, da Forschende sich zukünftig überlegen könnten, ob sie noch Zeit und Geld in die Forschung investieren, wenn ihre Erfindungen hinterher nicht geschützt wären.

Parlamentarischer Staatssekretär Benjamin Strasser

Auch der Parlamentarische Staatssekretär Benjamin Strasser betonte in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung den weltweiten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen als globales öffentliches Gut ansieht, den viel diskutierten TRIPS Waiver aber nicht für das richtige Mittel hält:

„Die Regeln zum Schutz geistigen Eigentums bieten einen Rechtsrahmen für solche Unternehmenskooperationen über Lizenzverträge. Sie sind zudem wichtig für die Entwicklung von Innovationen, auch mit Blick auf Mutationen des Corona-Virus.
Der Schutz geistigen Eigentums ist damit kein Hindernis, sondern vielmehr ein Teil der Lösung. Es ist wichtig, dass wir das klar kommunizieren und vermeintlich einfachen Lösungen mit politischem Symbolwert wie dem TRIPS Waiver entgegentreten. Nur so stellen wir sicher, dass das Patentsystem auch für zukünftige Krisen ausreichende Anreize für Innovationen bereithält.“

Während die Bundesregierung den von der EU, den USA, Südafrika und Indien erarbeiteten Kompromissvorschlag hinsichtlich des TRIPS Waivers gerade noch akzeptabel findet, braucht es aus BDPA-Sicht keine weiteren Öffnungen.

Zurück zum deutschen Patentrecht – und zu den ersten Erfahrungen mit dem Zweiten Patentmodernisierungsgesetz, das 2021 in Kraft getreten ist. Diskutiert wurden in dem Zusammenhang auch die Themen, die das Gesetz ausgespart hat, denn:

Nach dem PatMod2 ist vor dem PatMod3

Die Aufhebung oder zumindest Einschränkung der Subsidiarität des Nichtigkeitsverfahrens gegenüber dem Einspruchsverfahren ist, wie BDPA-Präsident Detlef von Ahsen einräumt, aus guten Gründen beim Zweiten Patentmodernisierungsgesetz ausgeklammert worden, weil es einer sorgfältigen Abwägung der Folgen bedarf, was ein Inkrafttreten der Gesetzesnovelle deutlich verzögert hätte. Der Zeitdruck war aber enorm, da insbesondere der Injunction Gap dringend zu schließen ist.

BDPA-Präsident Detlef von Ahsen

Detlef von Ahsen sieht hier weiteren Handlungsbedarf, denn das deutsche Trennungsprinzip sichert zwar die hohe Qualität des deutschen Patentsystems, aber der Injunction Gap unterläuft dessen Akzeptanz:

„Nur wenn die Verbesserungen, die das PatModG2 vorsieht, auch tatsächlich umgesetzt werden, bleibt das deutsche Patentsystem gerade mit der durch den UPC aufkommenden Konkurrenz international wettbewerbs- und zukunftsfähig.“

Dass die mit der Patentrechtsnovelle angestrebten Verbesserungen wie der sechsmonatige Hinweisschluss auch tatsächlich Realität werden, hängt vor allem von der personellen Ausstattung des Bundespatentgerichts ab. Nur wenn das Justizministerium hier weiter nachbessert und die entsprechenden Haushaltsmittel zu Verfügung stellt, ist es möglich, den Injunction Gap zu schließen – und nur dann wird das deutsche Trennungsprinzip eine Zukunft haben.