Stellungnahme

Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung über standard-essentielle Patent und die Änderung der Verordnung (EU) 2017/1001, – COM(2023) 232 final

Der BDPA begrüßt grundsätzlich Initiativen zur Harmonisierung des Binnenmarktes und nimmt zu einzelnen Aspekten des Vorschlags der Verordnung über standard-essentielle Patente (COM(2023) 232 final), nachfolgend nur VERORDNUNG genannt und nach Artikeln ohne weitere Referenzierung zitiert, wie folgt Stellung:

1. Allgemeines

Von standardessentiellen Patenten (Standard Essential Patents / SEPs) muss zwingend Gebrauch gemacht werden, wenn eine standardisierte Technologie genutzt wird. Aufgrund der Zwangsläufigkeit der Benutzung bei Verwendung eines technischen Standards vermittelt ein SEP seinem Inhaber eine Position, die es ihm ermöglicht, den Zugang zur Nutzung des Standards zu kontrollieren. Anderseits ist die Nutzung standardisierter Technologie in immer zahlreicheren Bereichen unerlässlich, um kompatible und somit wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. Dem SEP-Inhaber kommt mithin eine beherrschende Stellung auf dem Markt der standardisierten Technologie zu, was ihn zum Adressaten der Missbrauchskontrolle von Art. 102 AEUV macht.

Um einen kartellrechtswidrigen Missbrauch dieser Marktmacht zu verhindern, unterliegen SEP-Inhaber der Verpflichtung, ihre Patente an sämtliche Lizenzsucher zur fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory / FRAND) Bedingungen zu lizensieren. Die Bereitschaft hierzu stellen SEP-Inhaber üblicherweise mittels einer sogenannten FRAND-Erklärung (FRAND declaration) klar, die sie etwa gegenüber der für die Etablierung und Verwaltung des jeweiligen Standards zuständigen Standardisierungsorganisation (Standard Setting Organisation, SSO) abgeben.

Kommt der SEP-Inhaber dieser Verpflichtung nicht nach, greift der sogenannte kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand (FRAND-Einwand). Das heißt, der SEP-Inhaber kann gegenüber dem Anwender (implementer) seinen Unterlassungsanspruch solange nicht durchsetzen, wie er dem Lizenzsucher nicht die Möglichkeit einräumt, eine Lizenz an dem SEP oder dem SEP-Portfolio zu fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen zu nehmen.

Der Interessenskonflikt zwischen SEP-Inhabern einerseits und Anwendern andererseits hat in der Vergangenheit zu einer Vielzahl von Problemen geführt.

So war es Anwendern beispielsweise nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich, sich einen Überblick darüber zu schaffen, wie viele SEPs einen bestimmten Standard betreffen, wer die entsprechenden SEP-Inhaber sind und wie hoch die Kosten letzten Endes sein werden, um einen Markteintritt unter Verwendung des entsprechenden Standards zu erhalten ohne weiteren Ansprüchen wegen der Nutzung des Standards ausgesetzt zu sein. Zu alledem können Anwender aufgrund der schieren Anzahl von SEPs auch nicht die Details jedes Portfolios im Einzelnen prüfen, wodurch sie einer großen Unsicherheit bezüglich der ihrerseits erhaltenen Lizenzen ausgesetzt waren.

Auf der anderen Seite haben SEP-Inhaber häufig Schwierigkeiten, ihre berechtigten Interessen und Forderungen im Falle von nicht-lizenzwilligen Anwendern durchzusetzen. Die besondere Problematik liegt hier darin, dass ein Anwender die standardisierte Technologie, und damit die einschlägigen SEPs, ohne weiteres in Benutzung nehmen kann, der SEP-Inhaber jedoch daran gehindert ist, die Verbietungsrechte aus seinem Patent gerichtlich durchzusetzen, solange der Anwender vordergründig beteuert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen nehmen zu wollen, in der Absicht, die Pflicht zu Lizenzzahlungen so lange wie möglich hinauszuzögern (sog. „Hold-Out“).

Diese Situation lässt die Frage in den Fokus rücken, welche Lizenzbedingungen (also insbes. welcher Lizenzsatz) denn nun im Einzelfall „FRAND“ sind und wie diese zu bestimmen sind. Hier muss der SEP-Inhaber aufzeigen, dass sein Angebot in der Tat „FRAND“ ist, was beispielsweise die Offenlegung von Drittverträgen oder anderer geheimhaltungsbedürftiger Informationen erfordert. Ferner muss der SEP-Inhaber bei der Durchsetzung aufzeigen, dass er einen nunmehr beklagten Anwender ausreichend über die Patentverletzung informiert und ihm alle Informationen zur Verfügung gestellt hatte, die nötig sind, um sich einen angemessenen Überblick über die potentielle Patentverletzung verschaffen zu können. In der Diskussion steht hier vor allem, wie weit die Informationsbereitstellung durch den SEP-Inhaber gehen muss und in welchem Umfang ein Anwender Einwände gegen die angebotenen Bedingungen anmelden darf, um nicht als lizenzunwillig zu gelten.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seiner Entscheidung C-170/13 vom 16. Juli 2015 („Huawei / ZTE“) mit diesen Fragen auseinandergesetzt und entsprechende, aufeinander bezogene Informations- und Reaktionspflichten sowohl für den SEP-Inhaber als auch für den Anwender etabliert. So muss der SEP-Inhaber, will er die Verbietungsrechte aus seinem Patent durchsetzen ohne gegen Art. 102 AEUV zu verstoßen, den Anwender auf das SEP und die Verletzung hinweisen und diesen auffordern, seine Bereitschaft zum Abschluss einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erklären. Wenn sich der Anwender hierzu vorbehaltlos bereiterklärt, muss der SEP-Inhaber dem Anwender ein Angebot unterbreiten, das er für FRAND hält. Der Anwender kann dieses Angebot annehmen oder unter Abgabe eines Gegenangebots ablehnen. Lehnt der Anwender ab und nutzt er bereits das SEP, muss er für diese Nutzung eine Sicherheit hinterlegen. Der SEP-Inhaber kann das Gegenangebot wiederrum annehmen oder auch sein ursprüngliches Angebot nachbessern. Bei all diesen Schritten dürfen weder SEP-Inhaber noch Anwender eine Verzögerungstaktik an den Tag legen.

Die Umsetzung der mit der Huawei / ZTE-Entscheidung aufgestellten Leitlinien durch die Gerichte der Mitgliedsstaaten schwankt jedoch stark in Abhängigkeit von der Jurisdiktion. Zudem wird unter dem Schlagwort „Informationsasymmetrie“ beklagt, dass die vom EuGH vorgeschlagene Regime von einer idealen Situation eines etwa gleichen Kenntnisstandes von SEP-Inhaber und SEP-Lizenzsucher ausgeht, was den Umfang der relevanten Patente, deren Standardessentialität sowie die Kenntnis der einschlägigen Technologie anbetrifft. Da die Verwendung von technischen Standards aber stetig voranschreitet und dabei immer mehr Produkt- und Dienstleistungsmärkte erreicht, ist vielen aktuellen und zukünftigen Anwendern, die häufig in standardtechnologiefremden Bereichen tätig sind, oftmals nicht bewusst, dass und welche SEPs sie bei der Anwendung des Standards nutzen und ob diese für die Nutzung der Technologie tatsächlich essentiell sind. Auch haben diese Anwender, insbesondere wenn es sich bei ihnen nicht um den Hersteller der standardisierten Komponenten handelt, auch keine Kenntnis über marktübliche und angemessene Lizenzbedingungen und -gebühren. Dieses Informationsdefizit kann dadurch verschärft werden, dass ein überwiegender Teil der von den SEP-Inhabern in der Vergangenheit abgeschlossenen Lizenzbedingungen der Vertraulichkeit unterliegen.

Ungeachtet dieses Informationsdefizits aufseiten der Anwender scheuen die Gerichte der Mitgliedsstaaten bislang (soweit bekannt) davor zurück, im Einzelfall über die FRAND-Natur konkret angebotener Bedingungen zu entscheiden. Eine Offenlegung derjenigen Informationen, die für die Bestimmung von FRAND-Bedingungen notwendig ist, ist gemäß den nationalen Verfahrensregeln in den Mitgliedsstaaten nur eingeschränkt möglich. Auch die Verfahrensregeln des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) gehen insoweit nicht entscheidend weiter. Was im Einzelfall FRAND bzw. nicht-FRAND ist, steht auch dort zur Darlegungs- und Beweislast der Parteien. Bei dieser Sachlage wird nicht selten einen Informations- und Verhandlungsvorsprung des SEP-Inhabers gegenüber dem Anwender wahrgenommen.

Ausgehend hiervon ist es das Bestreben der Kommission, eine Harmonisierung der Herangehensweise an die Geltendmachung von SEPs in Europa herbeizuführen. Hierbei zielt der Vorschlag der Kommission insbesondere darauf ab, sicherzustellen, dass sämtliche Endnutzer Zugang zu Produkten erhalten, die die neuesten Standards umsetzen. Ferner soll der EU Binnenmarkt als Standort für Industriestandards setzende Innovationen attraktiver gemacht werden, indem sowohl SEP-Inhaber als auch Anwender darin bestärkt werden, standardisierte Technologien in der EU (weiter) zu entwickeln, standardisierte Produkte herzustellen und zu verkaufen, um im internationalen Wettbewerb um Standards und technische Lösungen konkurrenzfähig zu bleiben.

Zu diesem Zweck ist gemäß dem Vorschlag der Kommission vorgesehen, detaillierte Informationen zu SEPs und FRAND-Konditionen breitzustellen, um das allgemeine Bewusstsein für die Wichtigkeit technischer Standards und die Notwendigkeit ihrer Lizenzierung zu steigern sowie Lizenzverhandlungen zu erleichtern und deren Abschlüsse zu fördern. Die SEP-Inhaber will die Kommission durch Mitwirkungs- und Informationspflichten besonders in die Pflicht nehmen, um so mehr Transparenz für alle Markteilnehmer in sich rasch entwickelnden Technologiefeldern (insbesondere im Bereich Internet of Things (IoT)) zu schaffen (Erw. (2)) und die wahrgenommenen Informationsdefizite aufseiten der Anwender auszugleichen, bzw. zu verringern.

Der Anwendungsbereich des Vorschlags soll sich auf Standards und einschlägige, in den Mitgliedsstaaten der EU validierte SEPs erstrecken, für die eine FRAND-Erklärung abgegeben worden ist (Erw. (3)).

Konkret sieht die Kommission vor, ein zentrales Kompetenzzentrum und SEP-Register zu schaffen (Artt. 3 ff.), um die vorstehend genannten Informationen bereitzustellen, Artt. 4 ff. Die Kommission schlägt weiterhin eine der Sache nach verpflichtende, im Ergebnis jedoch rechtlich unverbindliche zentrale Prüfung von potentiellen SEPs auf ihre Standardessentialität durch unabhängige Gutachter (Artt. 26 ff.) sowie die Bestimmung eines Gesamtlizenzwertes je Standard vor, Artt. 15 ff. Um die Ermittlung von FRAND-Konditionen im Einzelfall zu ermöglichen, wird ferner ein zwingendes, vorgerichtliches Verfahren zur FRAND-Lizenzbestimmung vorgeschlagen (Art. 34 ff.).

Die Maßnahmen zielen insgesamt darauf ab, die von der Kommission identifizierten Ineffizienzen und Transaktionskosten bei der Lizensierung von SEPs zu reduzieren und letztlich kostspielige und zeitaufwendige Rechtsstreitigkeiten um SEPs soweit wie möglich zu vermeiden.

In den Erwägungsgründen ihres Vorschlags spricht die Kommission wiederholt die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen (small and medium-sized enterprises / SMEs) an, die sowohl als SEP-Inhaber als auch als Anwender auftreten können und deren Möglichkeiten im Vergleich zu Großunternehmen deutlich eingeschränkter sind. Um diesen die Möglichkeit zu geben, ebenfalls am „Lizenzierungsreigen“ teilzunehmen einen fairen Zugang zu standardisierter Technologie zu erhalten, sieht die Verordnung besondere Beratungs- und Schulungsangebote sowie eine Reduzierung der Gebühren für die Angebote und Leistungen des Kompetenzzentrums vor.

Der BDPA begrüßt grundsätzlich die Bestrebungen der Kommission um mehr Klarheit im SEP-Lizensierungsprozess und zur Linderung der Informationsasymmetrie auf beiden Seiten des Lizensierungsprozesses. In der konkreten Umsetzung scheinen jedoch einige Aspekte abänderungsbedürftig.

2. Schaffung eines Kompetenzzentrums und SEP-Registers beim EUIPO

Zur Adressierung der identifizierten Probleme sieht der Vorschlag die Schaffung eines Kompetenzzentrums (competence centre) und eines elektronischen Registers für standard-essentielle Patente beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum in Alicante (EUIPO) vor, Art. 4. Das Register soll öffentlich und kostenfrei nutzbar sein.

SEP-Inhaber sind gehalten, ihre in Mitgliedsstaaten validierten SEPs sowie SEPs mit einheitlicher Wirkung, für die eine sog. FRAND-Erklärung gegenüber einer SSO abgegeben ist, innerhalb von sechs Monaten nach Schaffung des Registers zu registrieren, Art. 20(3). Kommen Sie der Verpflichtung nicht fristgerecht nach, sind sie an der gerichtlichen Durchsetzung dieser SEPs in der EU gehindert, bis die Meldung erfolgt ist, Art. 24(2). Die Gerichte der Mitgliedsstaaten trifft eine dahingehende Prüfpflicht des Registers, Art. 24(5).

Die Betrauung einer zentralen Prüfungsbehörde unter Hinzuziehung der vorhandenen Expertise nationaler Prüfer ist aus Sicht des BDPA grundsätzlich begrüßenswert. Fraglich ist an dieser Stelle jedoch, ob das EUIPO als derartige zentrale Prüfungsbehörde geeignet ist, liegt seine Kompetenz doch – zumindest bisher –  im Bereich der Unionsmarken und des Gemeinschaftsgeschmacksmusters, also gerade der nicht-technischen Schutzrechte. Die Verordnung erkennt dies in ihrem Erwägungsgrund (12) dem Grunde nach auch an, wenn dort ausgeführt wird, dass es notwendig sein wird, das EUIPO mit den notwendigen personellen und finanziellen Mitteln auszustatten, um die ihm zu übertragenen Aufgaben auch erfüllen zu können. Um die Frage zu beantworten, welches diese zusätzlich benötigten Ressourcen sein werden, bedürfte es unserer Auffassung nach zunächst einer Konkretisierung, wie und in welchem Maße tatsächlich eine Hinzuziehung vorhandener Expertise umgesetzt werden kann. Denn ohne diese scheint es dem EUIPO sicher an der notwendigen technischen Expertise zu fehlen, um die Aufgaben einer zentralen Prüfungsbehörde für technische Schutzrechte wahrnehmen zu können.

Der BDPA regt daher an, insbesondere die personellen und fachlichen Anforderungen an die tatsächliche Umsetzung der Etablierung einer zentralen Prüfungsbehörde zunächst zu konkretisieren und sich erst im Nachgang hierzu bezüglich der Frage festzulegen, ob diese Etablierung in der Tat beim EUIPO zutreffend angesiedelt ist.

3. Prüfung auf Standard-Essentialität

Ferner sehen die Art. 28 ff. eine Prüfung gemeldeter SEPs auf tatsächliche Standardrelevanz durch entsprechende Gutachter (evaluators) vor, die vom Kompetenzzentrum hierfür ausgewählt wurden. Zusätzlich erhalten SEP-Inhaber und Anwender das Recht, jährlich bis zu 100 Patente für die Essentialitätsprüfung vorzuschlagen, Art. 29 (5, 6). Zur Steigerung der Effizienz soll lediglich ein SEP je Patentfamilie auf seine Standardrelevanz geprüft werden. Die im Register zu veröffentlichende, begründete Einschätzung des Gutachters soll für alle SEPs der Patentfamilie gelten, ist jedoch rechtlich unverbindlich. Allerdings soll die Einschätzung von jedermann in rechtsförmigen Verfahren als Beweismittel verwendet werden dürfen, Art. 28 (6).

Der BDPA begrüßt die Schaffung eines zentralen SEP-Registers und die Durchführung von verpflichtenden, jedoch rechtlich unverbindlichen Prüfungen grundsätzlich. Entsprechende Maßnahmen erscheinen geeignet, die insbesondere von Nutzern standardisierter Technologie beklagte Informationsasymmetrie zu lindern und die Transaktionskosten im Rahmen von Lizenzverhandlungen zu reduzieren. Allerdings wirft der bisherige Vorschlag auch eine Reihe von Fragen auf:

a) Selbst bei einer grundsätzlich rechtlich unverbindlichen Einschätzung hat das Ergebnis des Gutachters Gewicht. Um somit auch SEP-Inhaber nicht zu benachteiligen, sollte die Bewertung durch den Gutachter qualitativ hochwertig sein und stetigen Qualitätskontrollen unterliegen. Erfahrungsgemäß ist die Ermittlung der Relevanz eines Patents für einen Standard sehr aufwendig, insbesondere wenn es zahlreiche neben- und untergeordnete Ansprüche umfasst. Ferner ist die solchen SEPs zugrundeliegende Technik in vielen Fällen ausgesprochen komplex. In diesen Fällen ist die Anzahl von erfahrenen Gutachtern, deren Bewertung ein rechtlich zwar unverbindliches, jedoch für die Beweisführung relevantes Gutachten darstellt und daher eine hohe Qualität und technische Korrektheit aufweisen sollte, relativ gering. Der Vorschlag lässt indes offen, welche Kriterien bei der Auswahl der Gutachter und der Ermittlung der Standardessentialität Anwendung finden. Der BDPA regt daher an, eine Leitlinie bezüglich der Auswahl geeigneter Gutachter aufzustellen, um so die notwendige Qualität der Bewertungen sicherzustellen.

b) Ferner kann die Bewertung der Standardessentialität maßgeblich von der Frage der Schutzbereichsbestimmung des Patentanspruchs abhängen. Die hierfür bislang zuständigen Zivilgerichte der Mitgliedsstaaten verfolgen hier zum Teil unterschiedliche Ansätze. Der BDPA regt daher an, nicht nur größtmögliche Sorgfalt bei der Auswahl der Gutachter anzulegen, sondern auch Richtlinien für die Bewertung eines Patents als „standardessentiell“ im Vorhinein zu bestimmen, um die Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit der Bewertungen, und damit die Akzeptanz des Systems durch alle interessierten Kreise zu steigern. Die Möglichkeit, die Bewertung des Gutachters durch einen vom SEP-Inhaber benannten peer evaluator, also einen externen, technologiekundigen Experten zu delegieren (Art. 32), kann hier Abhilfe schaffen. Allerdings sollte auch der peer evaluator die vom Kompetenzzentrum aufgestellten Bewertungskriterien bei seiner Prüfung anlegen müssen. Es steht zu wünschen, dass die Kommission insoweit von ihren Kompetenzen nach Art. 26(5) Gebrauch macht und entsprechende Bewertungskriterien nach Konsultation von rechtlichen und technischen Experten und den interessierten Kreisen bestimmt.

c) Jedenfalls nach deutschem Rechtsverständnis stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob gegen die (in der Person des jeweiligen Gutachters anonym erstellte) Essentialitäts-Bewertung des Kompetenzzentrum (oder der sonstigen letztlich damit betrauten Stelle) zur Wahrung des Justizgrundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht ein Rechtsmittel gegeben sein müsste. Nicht zuletzt aufgrund der entscheidenden Bedeutung der Bewertung für die materielle wie prozessuale Rechtsposition beider Parteien einer möglichen FRAND-Auseinandersetzung scheint dies naheliegend. Nicht von ungefähr hat der Präsident des EPG-Berufungsgerichts diesbezüglich jüngst bereits vor einem drohenden Eingriff in (europäische) Grundrechte gewarnt.

d) Die Beschränkung der Evaluation auf ein Patent je Patentfamilie (Art. 28(3)) ist offenbar dem Bemühen um ein schnelles und effizientes Verfahren geschuldet. Der Ansatz birgt jedoch das Risiko der Identifizierung des „geeignetsten“ Kandidaten in der Familie. Wird der Kandidat als nicht-essentiell bewertet, kann der Patentinhaber die Löschung der Patente dieser Familie aus dem Register beantragen, Art. 25(2). Sie unterliegen dann nicht länger den vom Vorschlag vorgesehenen Beschränkungen bei ihrer gerichtlichen Durchsetzung. So ist vor ihrer gerichtlichen Geltendmachung insbesondere kein Verfahren auf Bestimmung von FRAND-Bedingungen gem. Art. 34 ff. durchzuführen. Dies unterstreicht aus Sicht des BDPA das Bedürfnis nach größtmöglicher Expertise und Sorgfalt bei der Relevanzprüfung und lädt daher alle Stakeholder ein, die Kommission bei der Aufstellung geeigneter Prüfkriterien zu unterstützen, um eine erfolgreiche Etablierung des im Grundsatz begrüßenswerten Ansatzes sicherzustellen.

e) Der BDPA begrüßt im Ausgangspunkt auch die Möglichkeit für SEP-Inhaber und Standardanwender, bis zu 100 Patente jährlich für eine Prüfung auf Essentialität anzumelden, gibt jedoch zu bedenken, dass dieser ambitionierte Ansatz ausreichende Kapazitäten an geeigneten Gutachtern sowie eine ausreichende sächliche, personelle und finanzielle Ausstattung des Kompetenzzentrums erfordern wird. Um die notwendige Akzeptanz des Systems sicherzustellen, darf die zu erwartende Masse an Prüfanfragen nicht zulasten der Qualität gehen. Dass die in Art. 31(5) vorgegebene, initiale Prüffrist von sechs Monaten, zumindest in der Anfangsphase des Systems, in vielen Fällen kaum einzuhalten sein wird, müsste hierfür in Kauf genommen werden.

4. Bestimmung von Gesamtlizenzgebühren je Standard

Um dem Bedürfnis der Anwender Rechnung zu tragen, die Gesamtlizenzbelastung für eine standardisierte Technologie besser prognostizieren zu können, sieht Art. 15 (2) der Verordnung vor, dass SEP-Inhaber einen weltweiten Lizenzwert für die standardisierte Technologie zur Veröffentlichung im Register angeben sollen. SEP-Inhaber, die mindestens 20% aller für einen Standard relevanten SEPs halten, können die Ermittlung eines – unverbindlichen – Gesamtlizenzwertes durch vom Kompetenzzentrum eingesetzte Experten (conciliators) beantragen. Art. 17, 18 regeln die Einzelheiten des Verfahrens.

Die Absicht der Kommission, weltweite Gesamtlizenzwerte für einzelne standardisierte Technologien bestimmen zu lassen, erscheint ambitioniert, indes praktisch kaum umsetzbar. Nach Kenntnis des BDPA werden zahlreiche Theorien zu deren Bestimmung diskutiert, die zu erheblich divergierenden Ergebnissen gelangen können. Die Bestimmung im Einzelfall wird in der Praxis dadurch erschwert, dass Verfahren und Vorrichtungen, die standardisierte Technologie implementieren, in der Regel von einer Vielzahl von lizenzpflichtigen Standards Gebrauch machen, die bei einer Gesamtlizenzbelastung eines konkreten Produktes oder Dienstes zusätzlich in den Blick zu nehmen wären. Entscheidend ist jedoch, dass sich der Gesamtlizenzwert einer Technologie möglicherweise nicht abstrakt-generell bestimmen lässt, weil dieser abhängig vom jeweiligen Produkt und Dienst, sowie deren konkreten Einsatzbereiche und Funktionalitäten, erheblich abweichen kann. Würde hingegen nur abstrakt der „Wert“ der durch die standardisierte Technologie vermittelte Kompatibilität und des hierdurch ermöglichten Marktzugangs bestimmt, liefe die Berechnung Gefahr, die unterschiedlich großen technischen Beiträge der einzelnen im Standard befindlichen Patente nicht bzw. nicht angemessen zu würdigen. Eine rein quantitative Bestimmung der Anteile der zum Standard beitragenden SEP-Inhaber (sog. „top-down“ approach), die durch das bekannte Problem der „over declarations“ häufig verzerrt ist und sich wohl nur durch eine (vom Vorschlag gerade nicht gewollte) Essentialitätsprüfung jedes einzelnen deklarierten SEPs aufklären ließe, würde dem tatsächlichen technischen Beitrag der SEP-Inhaber jedenfalls nicht gerecht. Eine gerechte Verteilung der Lizenzeinahmen auf die beitragenden SEP-Inhaber wäre in der Folge kaum möglich. Der BDPA sieht daher ein erhebliches Risiko, dass mit der Absicht, den globalen Lizenzwert einer Technologie im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsregionen zu bestimmen, zu Lasten insbesondere der europäischen SEP-Inhaber gehen dürfte. Das gesteckte Ziel der Innovationsförderung insbesondere in der EU würde damit verfehlt, im schlimmsten Fall sogar in sein Gegenteil verkehrt.

5. Zwingendes vorgerichtliches Verfahren zur FRAND-Lizenzbestimmung

Art. 34 bis 57 des Kommissionsvorschlags sehen ein Verfahren zur FRAND-Bestimmung (FRAND determination procedure) durch einen vom Kompetenzzentrum bestimmten Schlichter (conciliator) vor, von dem SEP-Inhaber und Technologieanwender auf Antrag Gebrauch machen können, Art. 34(3). Vor Einleitung eines Verfahrens wegen Patentverletzung oder auf Feststellung von FRAND-Bedingungen vor einem Gericht der Mitgliedsstaaten (einschließlich des seit 1. Juni 2023 tätigen Einheitlichen Patentgerichts / EPG) ist das Verfahren allerdings zwingend durchzuführen und abzuschließen, Art. 34(1). Gleichwohl anhängig gemachte Streitverfahren dürfen von den Gerichten nicht weiterbetrieben werden, Art. 56(4).

Zu Verfahrensbeginn werden die Parteien zur Mitteilung aufgefordert, ob sie den späteren Einigungsvorschlag akzeptieren werden, mit der Folge, dass der später unterbreitete Einigungsvorschlag für beide Seiten verbindlich ist, Art. 38(1)(a). Weisen dies beide Seiten zurück oder reagieren nicht auf die Anfrage, kann das Kompetenzzentrum das Verfahren beenden, Art. 38(3)(c), 38(4)(d). Reagiert eine Seite nicht auf Aufforderungen des Kompetenzzentrums oder des Schlichters, kann die andere Partei die Beendigung des Verfahrens, aber auch dessen einseitige Fortsetzung auf Basis der bis dahin vorliegenden Informationen beantragen. Diese Partei ist dann gem. Art. 56(4) auch frei, ein Gerichtsverfahren im Sinne Art. 34(1) anzustrengen.

Das Verfahren zur Bestimmung von FRAND-Bedingungen soll nach Art. 37(1) im Regelfall nicht länger als neun Monate dauern und spätestens 45 Tage vor Ende dieses Zeitraums in einen begründeten Einigungsvorschlag des Schlichters münden. Bereits fünf Monate vor Ende der Frist nach Art. 37 soll der Schlichter einen Vorschlag unterbreiten, zu dem die Parteien Stellung nehmen und Änderungen vorschlagen können, Art. 52. Akzeptieren die Parteien den Einigungsvorschlag oder einigen sie sich anderweitig, ist das Verfahren beendet (Art. 56(1)). Erklärt eine Partei, den Einigungsvorschlag nicht zu akzeptieren oder reagiert sie nicht, ist das Verfahren zwar ebenfalls beendet (Art. 56 I lit. c, d), der Streitschlichter erstellt aber einen Bericht, der eine Einschätzung zur FRAND-Bestimmung enthält und teilweise vertraulich ist. Der nicht vertrauliche Teil des Berichts, der nach Art. 57(2)(d) die bei der Bestimmung des FRAND-Vorschlags angewandte Methodik enthalten soll, wird in der elektronischen Datenbank veröffentlicht. Den vollständigen Bericht dürfen die Parteien in einem Gerichtsverfahren als Beweismittel vorlegen, Art. 57(4).

Ist oder wird ein paralleles Verfahren vor dem Gericht eines Staates außerhalb der EU anhängig, an dem eine Partei beteiligt ist und das Patente einer Schutzrechtsfamilie zum Gegenstand hat, die auch Gegenstand des Verfahrens zur FRAND-Bestimmung sind, kann das Kompetenzzentrum das Verfahren auf Antrag beenden, Art. 47(2).

Mit dem vorgeschlagenen Verfahren zur FRAND-Bestimmung (FRAND determination procedure) greift die Kommission die vom EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Huawei / ZTE vorgeschlagene Option auf, bei widerstreitenden Angeboten im Einvernehmen der Parteien einen unabhängigen Dritten mit der Festlegung von FRAND-Bedingung zu beauftragen, der innerhalb einer kurzen Frist entscheidet (EuGH, Rs. C-170/13, Rz. 68).

Der BDPA begrüßt diesen Ansatz als im Grundsatz geeignete Maßnahme, SEP-Inhaber und Anwender in der zentralen Frage der Findung fairer und nicht-diskriminierender Lizenzbedingungen durch einen fachkundigen Dritten zu unterstützen. Der Verband hat jedoch Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit des von der Kommission konkret vorgeschlagenen Konzepts. Maßnahmen, die Rechtsinhaber in der Durchsetzung ihrer Rechte hindern oder diese erschweren, müssen zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. In dieser Hinsicht wirft das vorgeschlagene Konzept eine Reihe von Fragen auf.

a) Das derzeit vorgeschlagene Verfahren ermöglicht es beiden Seiten, eine vorzeitige Beendigung des Verfahrens herbeizuführen, bzw. in einen lediglich einseitig unterstützen Vorschlag einer FRAND-Lizenzgebühr zu münden. Insbesondere eine Beendigung aufgrund eines vor einem Gericht außerhalb der EU anhängig gemachten Verfahrens (Art. 47) erscheint ein praktisch relevantes „Ausstiegszenario“ zu werden. Schließlich bieten sich sowohl global tätigen SEP-Inhabern als auch Standardanwendern zahlreiche Möglichkeiten, so beispielsweise in den USA, Großbritannien und China, vollstreckbare und gerichtlich sanktionierte Unterlassungsanordnungen, FRAND-Bestimmungen oder bezifferte Zahlungstitel auf Schadensersatz zu erlangen. Auch das komplizierte Regelwerk des Art. 38 zur Abfrage der beiderseitigen Zustimmung oder Ablehnung einer für sie verbindlichen FRAND-Bestimmung, das sich in der Praxis zeitaufwändig gestalten dürfte, stellt die Erforderlichkeit dieser Regelung grundsätzlich in Frage. Dem von der Kommission vorgeschlagenen Verfahren zur Bestimmung von FRAND-Bedingungen dürfte es, zumindest in der derzeit vorgeschlagenen Form, nach alledem schwer fallen, von SEP-Inhabern und Technologieanwendern angenommen zu werden und sich als die von der Kommission beabsichtigte, gewichtige Instanz bei der streitlosen Beilegung von FRAND-Angelegenheiten zu etablieren. Das damit von der Kommission verfolgte Ziel, kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden, wird damit voraussichtlich verfehlt.

b) Zwar wird das „Klageverbot“ relativiert, indem dem SEP-Inhaber (und nach dem Entwurfsvorschlag interessanterweise auch dem Anwender) gem. Art. 34(4) zugestanden wird, während des Verfahrens vorläufige Maßnahmen „finanzieller Natur“ (provisional injunctions of a financial nature) beantragen dürfen. Hierdurch soll wohl insbesondere eine einstweilige Sicherung des Anspruchs auf Lizenzzahlung für die bereits aufgenommene Nutzung des SEPs ermöglicht werden. Der Vorschlag definiert die Art solcher Maßnahmen allerdings nicht näher. Zu denken wäre insoweit, neben Maßnahmen auf nationaler Ebene, an Art. 62 I 2. Alt. EPGÜ (einstweilige Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Fortsetzung patentverletzender Handlungen). Da eine solche Anordnung allerdings tatbestandlich an eine Patentverletzung anknüpft, erscheint die Maßnahme gegen Art. 34(1a) des Kommissionsentwurfs („Verbot der Verletzungsklage“) zu verstoßen (Art. 34(4) lässt zwar ausnahmsweise die Erhebung einer Hauptsacheklage wegen Patentverletzung zu, wenn sie verfahrensrechtlich für die Maßnahme finanzieller Natur notwendig ist; dieses Verfahren muss dann jedoch ausgesetzt werden, bis das Verfahren der FRAND-Bestimmung abgeschlossen ist). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass eine Verpflichtung zur Hinterlegung von Sicherheiten nur selten die Motivation von Anwender steigert, aktiv und zielführend an der Verhandlung von FRAND-Bedingungen mitzuwirken.

c) Angesichts dessen hält der BDPA es für grundsätzlich unangemessen, das Verfahren zu FRAND-Bestimmung vor Erhebung einer Unterlassungsklage zwingend durchlaufen und abschließen zu müssen. Dieser Ansatz ist geeignet, Verzögerungstaktiken (sog. Hold Out) von tatsächlich lizenzunwilligen Technologieanwendern Vorschub zu leisten. Zudem ermöglicht es Letzteren, sich einen weiteren Zeitvorteil bei einem etwaigen Angriff auf den Rechtsbestand von SEPs zu verschaffen, denn Art. 34(4) des Vorschlags untersagt dem Anwender während der FRAND-Bestimmung nur Klagen auf Feststellung von FRAND-Bedingungen vor Gerichten der Mitgliedsstaaten, nicht aber von Einsprüchen und Klagen auf Patentnichtigkeit. Nach Auffassung des BDPA wird der ohnehin zeitlich begrenzte Schutz des Patentinhabers hierdurch in unverhältnismäßiger Weise beschränkt. Gleichzeitig scheint der vorgeschlagene Ansatz das gesetzte Ziel, nämlich eine spürbare Reduzierung zeit- und kostenaufwendiger Gerichtsverfahren, nicht erreichen zu können, denn eine unverbindliche Bestimmung von Lizenzbedingungen wird in aller Regel zumindest einer Seite Anlass zur gerichtlichen Nachkontrolle geben.

Mit Blick auf die durchschnittliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens wegen Patentverletzung oder Feststellung von FRAND-Bedingungen, die in den meisten Mitgliedstaaten in der Regel deutlich über der in Art. 37(1) des Kommissionsvorschlags vorgesehenen Maximaldauer von neun Monaten liegen dürfte, erscheint kein praktisches Erfordernis für eine Zurückstellung eines gerichtlichen Verfahrens zu bestehen. Hält der Schlichter den vom Kommissionsvorschlag vorgegebenen Zeitplan ein, wird das Ergebnis der FRAND-Bestimmung in aller Regel vor der mündlichen Verhandlung in Hauptsache vorliegen und könnte von den Parteien gem. Art. 57(4) des Vorschlags in das Verfahren eingebracht werden.

Selbst wenn die Parteien die Verbindlichkeit des Ergebnisses nicht anerkannt haben sollten, steht zu erwarten, dass Gerichte der Mitgliedsstaaten einem sorgfältig erarbeiteten Lizenzvorschlag erheblichen Beweiswert bemessen werden und etwa die Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen entbehrlich machen. Zudem können die Gerichte der Mitgliedsstaaten das Verhalten der Parteien im Rahmen des Verfahrens zur FRAND-Bestimmung würdigen. Das Fortschreiten eines parallelen Gerichtsverfahrens könnte Parteien und die Schlichter somit motivieren, dass Verfahren nach Kräften zu unterstützen, Informationen und Unterlagen offenzulegen, Einwände fristgerecht vorzubringen und nicht aus taktischen Gründen zurückzuhalten, um so das Verfahren innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens zum Abschluss zu bringen. Der Besorgnis eines unangemessenen Marktmachtmissbrauchs nach Art. 102 AEUV könnte durch die Auflage begegnet werden, Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Rückruf und Vernichtung erst nach Abschluss des FRAND-Bestimmungsverfahrens anhängig machen zu dürfen.

Der BDPA regt daher an, Art. 34 ff. des Kommissionsvorschlags in geeigneter Form zu modifizieren, sodass das die derzeit in Art. 34(1) benannten Streitverfahren in der Hauptsache parallel zum Verfahren der FRAND-Bestimmung betrieben werden dürfen. Zudem wird eine Konkretisierung des Kommissionsvorschlages in Art. 34(4) hinsichtlich Art und Umsetzung der hiernach zulässigen Maßnahmen angeregt, da andernfalls ein hohes Risiko besteht, dass sich die vorgesehene Sicherungsmöglichkeit für den SEP-Inhaber als praktisch nicht durchsetzbar und somit wertlos erweist.

6. Gesamtbewertung

Nach den Erfahrungswerten der Mitglieder des BDPA stellt das aktuell in den Mitgliedsstaaten zur Verfügung stehende Instrumentarium für Schutz und Durchsetzung von SEPs ein im Grundsatz funktionstüchtiges System bereit. Dies gilt insbesondere für den diesbezüglich bereits seit vielen Jahren im Fokus der Lizenzierungen stehenden Bereich der Mobilfunk- und sonstigen Konnektivitätstechnologie (der gemäß Erwägungsgrund (4) der Verordnung bezeichnender Weise aus deren Anwendungsbereich wie sämtliche weitere bereits bestehende Standards wohl auch ausgenommen werden würde). Der weit überwiegende Teil an FRAND-Auseinandersetzungen wird im Verhandlungswege gelöst. Zu Gericht gelangt nur ein kleiner Teil der Streitigkeiten, in denen sich allerdings häufig zeigt, dass der Standardanwender sich Verzögerungs- und Hinhaltetaktiken bedient, um die Lizenzzahlung für von ihm häufig bereits seit längerer Zeit in Benutzung genommene Technologie hinauszuzögern. Insbesondere der vom BGH in seinen Entscheidungen FRAND-Einwand I und FRAND-Einwand II etablierte Ansatz scheint eine zügige, effiziente und im internationalen Vergleich kostengünstige Lösung bereitzustellen, indem sie für die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens ein Forum für SEP-Inhaber und Anwender schafft, sich auf faire und ausbeutungsfreie Lizenzgebühren zu einigen. Ein ähnliches Szenario erwartet der BDPA in den nun möglichen Streitverfahren vor den deutschen Lokalkammern des EPG, die mit juristisch qualifizierten Richtern besetzt sind, welche den deutschen Ansatz entwickelt und maßgeblich mitgeprägt haben.

Der BDPA sieht daher das von der Kommission dargestellte Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung der SEP- und FRAND-Thematik nicht in allen Punkten als dringlich an.

Danach begrüßt der BDPA zwar die grundsätzliche Idee eines zentralen SEP-Registers und einer öffentlichen Informationsdatenbank ebenso wie den Vorschlag, die Gebühren für die Nutzung der Angebote eines – wie auch immer gearteten – Kompetenzzentrums speziell für SMEs zu reduzieren. Er hält jedoch die weiteren Aspekte des Vorschlags bezüglich des „Ob“ und „Wie“ ihrer Umsetzung für diskussions- oder jedenfalls konkretisierungsbedürftig.

So wäre zunächst zu konkretisieren, inwieweit das EUIPO in Anbetracht der (noch) fehlenden technischen Expertise als Kompetenzzentrum für SEPs geeignet ist. Bezüglich der seitens des Kompetenzzentrums anzubietenden Evaluierungen standardessentieller Patente wären zum einen die Auswahlkriterien für die Gutachter, sowie mögliche Richtlinien zur Patentauslegung im Evaluierungsfall zu diskutieren und konkretisieren, um so eine gewisse Qualität der Evaluierungen zu sichern. Zum anderen wäre auch zu hinterfragen, wie die notwendige Kapazität für die vermutlich sehr zahlreichen Evaluierungsanfragen sichergestellt werden soll.

Zudem scheint die Idee, ein zwingendes Verfahren zur FRAND-Ermittlung als Bedingung für eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus einem SEP vorzusehen, auf den ersten Blick zwar begrüßenswert, in der Umsetzung jedoch fraglich. Der BDPA ist besorgt, dass insbesondere das vor einer streitigen Durchsetzung zwingend durchzuführende Verfahren zur FRAND-Lizenzbestimmung den Technologiestandort Europa und seine Innovationskraft nicht stärkt, sondern im Gegenteil dessen Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wettbewerb (besonders mit China und den USA) mittel- und langfristig eher zu schwächen geeignet ist. Denn Innovationstreiber sind im Wesentlichen nicht die Standardanwender, sondern das Gros der SEP-Inhaber als forschenden Technologieunternehmen. Werden diese gezwungen, während der grundsätzlich neumonatigen Dauer des Verfahrens die sanktionslose Nutzung der von ihnen entwickelten Technologien zu tolerieren, ist dies, jedenfalls auf schnelllebigen Technologiemärkten wie beispielsweise dem Mobilfunk, ein erheblicher Wettbewerbsnachteil. Dieser Nachteil könnte solche Unternehmen dazu bewegen, sich vom gemeinsamen Binnenmarkt abzuwenden und sich in Richtung anderer Standorte zu orientieren, in denen sie ihre Rechte unmittelbar geltend machen können, ohne ein Verfahren durchlaufen zu müssen, von dem sie möglicherweise bereits bei Eintritt wissen, dass dieses nicht zur außergerichtlichen Einigung führen wird.

Entgegen der Absicht der Kommission lässt der derzeitige Vorschlag somit zunächst mehr und nicht weniger Streitverfahren vor den nationalen Gerichten und dem EPG erwarten. Schließlich werden SEP-Inhaber bemüht sein, den Beschränkungen durch das zwingend vorgeschaltete Schlichtungsverfahren zur FRAND-Lizenzbestimmung zuvorzukommen. Der BDPA regt daher insbesondere an, das Klageverbot gemäß Art. 34 zu überdenken und parallele Streitverfahren neben dem FRAND-Bestimmungsverfahren der VERORDNUNG zuzulassen.

Eine Kernproblem der hiesigen Thematik dürfte im Übrigen in der Qualität von SEPs liegen, deren Rechtsbestand insbesondere im Bereich der Telekommunikation und der Informationstechnologie oft sehr fraglich ist, wie die hohen (Teil-)Vernichtungsraten in diesem Bereich zeigen. Mangels Kompetenz adressiert der Kommissionsvorschlag diesen Punkt (verständlicherweise) nicht. Der BDPA möchte den Vorschlag gleichwohl zum Anlass nehmen, das allseits kommunizierte Bedürfnis einer erheblichen Verbesserung der Prüfungs- und Erteilungsqualität in diesen technischen Bereichen, insbesondere beim EPA, nochmals zu unterstreichen und fordert, die dahingehenden Bemühungen aller interessierten Kreise voranzutreiben.