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Patentanwalt 2030 – Herausforderungen und Perspektiven

UPC, neues Berufsrecht, Digitalisierung… Deutschlands Patentanwältinnen und Patentanwälte sind mit einer Vielzahl von Veränderungen konfrontiert – auf nationaler und europäischer Ebene. Ist das neue europäische Gericht der Game Changer? Worauf müssen Patentanwältinnen und Patentanwälte in zunehmend globalisierten Märkten achten? Fragen, die der Bundesverband Deutscher Patentanwälte auf seinem diesjährigen Herbstseminar beantworten wollte.

„Es geht um nichts weniger als die Zukunftsfähigkeit Ihres Berufsstandes.“

Dr. Ariane Mittenberger-Huber

So brachte es die Vorsitzende Richterin am Bundespatentgericht, Dr. Ariane Mittenberger-Huber zu Beginn ihres Vortrages auf den Punkt. Die Vorsitzende des 29. Senats, zuständig für Markenrecht, betonte, dass die Marke zu Unrecht als „Aschenputtel unter den Schutzrechten“ gesehen würde und warb mit ihren Ausführungen zum Verfahrensrecht und zum materiellen Recht dafür, sich in Zukunft stärker für das Markenrecht zu engagieren und es nicht den Rechtsanwälten zu überlassen. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen lohne es sich, den Mandanten in allen Bereichen beraten und vertreten zu können.

Tränen lügen nicht

Dr. Andreas Friedrich

Digitalisierung gilt als Inbegriff der Zukunftsfähigkeit, und das beinhaltet nicht nur die digitale Akte. Dr. Andreas Friedrich, zuständig für die Digitalisierung bei Gramm, Lins & Partner, propagierte in seinem Vortrag zunächst den Trennungsschmerz, nämlich Überholtes abzuschaffen und durch Neues zu ersetzen. Sein Weg in die digitalisierte Kanzleizukunft streift Inhaltsverzeichnisse, Benennungssysteme, Datensicherheit und Fristensysteme. Als Ziel setzt sich der Patentanwalt neue Tools, die die Arbeit vereinfachen, mehr Homeoffice-Möglichkeiten, neue Formen der Kommunikation und Legal Tech.

Vor dem Hintergrund des neuen Berufsrechts beschäftigte sich Rechtsanwalt Holger Grams mit den Berufsausübungsgesellschaften, ihren unterschiedlichen Rechtsformen und der Frage nach der Berufshaftpflichtversicherung und Haftungsbegrenzungsvereinbarungen. Einen Exkurs gab es auch zum Thema Scheinsozietät.

Nicht ohne Europa

Dr. Jeannine Hoppe mit Moderator Prof. Dr. Thomas Eder

Vor knapp zwei Jahren trat die neue Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes in Kraft. Dr. Jeannine Hoppe, Juristisches Mitglied der Beschwerdekammern des EPA, erläuterte beim Herbstseminar deren wichtigste Neuerungen. Da es nur für zwei Vorschriften Übergangsregelungen gibt, gilt es, die mit den Änderungen verbundenen Sorgfaltspflichten zu beachten. Beim Missachten der Verfahrensvorschriften lauern neben Nachteilen im Verfahren selbst auch ein Anwaltsregress seitens des Mandanten. Neben der Substantiierung stand der Konvergenzansatz mit der Änderung des Vorbringens und den damit verbundenen Obliegenheiten der Beteiligten im Zentrum ihres Vortrages. Hoppe erläuterte auch die Ermessenskriterien seitens der Beschwerdekammern und gab Tipps zum Umgang mit dem Thema Verspätung, den möglichen Vorteilen einer Beschwerderücknahme bis zur Rücknahme aller Anträge und der Zustimmung zum Patent.

Kontrovers diskutiert wurde das Thema Verfahrensökonomie. Für Dr. Jeannine Hoppe bedeutet die Straffung keinen Qualitätsverlust:

„Ich finde es nicht zumutbar, dass ein Verfahren fünf oder sechs Jahre dauert. […] Und ich finde, das ist auch mit Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nicht vereinbar.“

Kritik wurde von den Teilnehmern des Herbstseminars vor allem daran geübt, dass die strikten Verfahrensregelungen wenig Spielraum ließen und so auf Kosten der Qualität gehen würden. In dem Zusammenhang verwies Jeannine Hoppe auf den deutschen Zivilprozess, wo es akzeptiert werde, dass das Berufungsverfahren keine komplette Neuauflage sei.

„Warum soll ich zwei Instanzen haben, die voneinander völlig unabhängig sind? Das Beschwerdeverfahren soll ein Überprüfungsverfahren sein, damit wir in angemessenen Zeiträumen eine Entscheidung kriegen.“

Auch Dr. Corinna Sundermann, Senior Vice President, Intellectual Property bei Fresenius Kabi Deutschland bemängelte die Qualität der europäischen Patente und verwies beim Roundtable auf den letzten Qualitätsbericht des EPA, der besage, dass im Jahr 2021 25% der vom EPA erteilten Patente nicht korrekt erteilt wurden.

Die Podiumsdiskussion am zweiten Tag des Herbstseminars, moderiert von BDPA Vorstandsmitglied Dr. Christian A. Mohr, fragte nach der neuen Rolle des Patentanwalts im internationalen Umfeld.

Ist das UPC die große Chance für die nationalen Patentanwälte?

Mit dem Start des UPC dürfen Patentanwälte mit der entsprechenden Zusatzausbildung erstmals ohne Rechtsanwälte Verletzungsverfahren führen. Was bedeutet das für die deutschen Patentanwältinnen und Patentanwälte? Wird sich das Verhältnis zu Rechtsanwälten dadurch ändern?

von links: Dr. Rainer Beetz, Dr. Corinna Sundermann, Dr. Christian A. Mohr, Tiem Reijns, David Molnia

Dr. Rainer Beetz, Partner bei SONN Patentanwälte Wien und Mitglied des UPC-Expertengremiums erläuterte in seinem Impulsvortrag vor dem Roundtable das Vertretungsrecht vor dem UPC, dessen Voraussetzungen und die damit verbundenen Erwartungen.

Einig waren sich die Panelists danach, dass das neue europäische Patentsystem erst einmal als Chance verstanden werden sollte. Rainer Beetz rief dazu auf, gleich zu Beginn Erfahrungen mit dem neuen Gericht zu sammeln. Auch Rechtsanwälte müssten sich mit dem neuen Prozessrecht erst vertraut machen, daher sollten Patentanwälte keine Scheu zeigen.

Für Corinna Sundermann spricht für das UPC, dass erwartet wird, dass es Patentinhaber freundlich sei. Man müsse es jetzt einfach ausprobieren. Dabei setze sie aber erst einmal weiter auf die bewährten Teams aus Patent- und Rechtsanwälten. Für Tiem Reijns, Lead Patent Counsel Unilever und Präsident der niederländischen Patentanwaltskammer genügen die reinen Zugangsvoraussetzungen nicht, um als Patentanwalt am UPC erfolgreich zu sein:

„Es braucht mehr, um ein guter Litigator zu sein. Das Zertifikat und die „Grandfather“-Regelung erlauben zwar, vor dem Gericht zu vertreten. Das reicht aber nicht aus. […] Erfahrung wird benötigt, um ein guter Litigator zu werden.“

Vor dem Hintergrund eines erwarteten straffen Fristenregimes am UPC wird von den Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern eine größere Spezialisierung der Patentanwälte und Rechtsanwältinnen vorhergesagt. Das wiederum spräche für größere Teams.

David Molnia, European Patent Attorney, deutscher sowie US-Patentanwalt und Partner bei df-mp Patentanwälte Rechtsanwälte rechnet mit einer international wichtigen Rolle des UPC und sieht das europäische Gericht als Counterpart zu den USA. Verletzungsprozesse werden seiner Meinung nach internationaler werden. Und damit gewinnt das US-Thema Attorney-Client Privilege weiter an Bedeutung. Ein Thema, das nach Ansicht der Panelists in Deutschland sträflich vernachlässigt worden ist und jetzt im Zusammenhang mit dem UPC wieder auf die Agenda rückt. Entsprechend gab es Tipps, worauf geachtet werden muss und was dringend unterlassen werden sollte.

Globalisierung, Spezialisierung, größere internationale Teams – das UPC wird Veränderungen mit sich bringen – eröffnet den Patentanwältinnen und Patentanwälten aber auch ganz neue Möglichkeiten.
David Molnia formuliert das in seinem persönlichen Ausblick auf das Jahr 2030 am Schluss der Podiumsdiskussion so:
„Wir können wählen, wer wir sein wollen. Wir sollten vom Allrounder Abstand nehmen, der alles machen kann. Wir werden auswählen können, ob wir Prosecution, Opposition oder Litigation machen möchten. Das bedeutet eine Art Freiheit!“