Jetzt ist eingetreten, was viele befürchtet, aber die meisten letztlich doch nicht als realistisch angesehen hatten: Im gestrigen EU-Referendum haben sich 51,9% der Briten für einen EU-Austritt ausgesprochen. Die erste Reaktion: Premier David Cameron hat seinen Rücktritt angekündigt. Welche politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen das Referendum haben wird, ist derzeit nicht absehbar. Auch die Auswirkungen auf das europäische Patentsystem müssen jetzt geklärt werden.
Für BDPA-Präsident Martin Tongbhoyai bedeutet das gestrige Votum einen klaren Einschnitt: „Das ist ein schwarzer Tag für Europa. Der Brexit wird das Leben von jedem von uns stark beeinflussen. Für das Patentwesen heißt es wohl, nun weit länger auf das Einheitspatent warten. Denn eines ist sicher: Einen Start in 2017 wird es nicht geben können.“
Das Ergebnis des Referendums hat unmittelbare Auswirkungen auf das Einheitliche Patentgericht (EPG). Denn noch in diesem Sommer sollte der Probebetrieb anlaufen, der eigentliche Start war für das Frühjahr kommenden Jahres geplant. Dieser Zeitplan wird nun nicht mehr einzuhalten sein. Vielmehr geht es jetzt darum, die Situation zu analysieren und Alternativen zu verhandeln.
Ratifizierungsprozesss noch nicht abgeschlossen
Damit das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht in Kraft treten kann, müssen die drei Länder mit den höchsten Patent-Anmeldezahlen den Vertrag ratifizieren, und das sind Deutschland, Frankreich und eben Großbritannien.
2010 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass nur Unionsmitglieder am EPG teilnehmen dürfen. Der Austritt Großbritanniens wird zwar nach dessen Antragstellung gemäß dem Lissabon-Vertrag mindestens zwei Jahre dauern und bis zum Abschluss der Austrittsverhandlungen bleibt das Land de facto EU-Mitglied, nur ob es politisch durchzusetzen ist, den EPG-Vertrag noch zu ratifizieren, ist zumindest fraglich. Italien würde nach dem Austritt Großbritanniens als drittstärkstes Anmelderland nachrücken. Nur Italien gilt nicht gerade als Wegbereiter von Einheitspatent und Einheitlichem Patentgericht.
EPG-Außenstelle in London
Zudem sollte eine der beiden EPG-Außenstellen, mit Schwerpunkt Chemie- und Pharmapatenten, ihren Sitz in London haben. Es ist wahrscheinlich, dass nun ein alternativer Standort gesucht wird.
Auch die Zulassung der britischen Patentanwälte vor dem Einheitlichen Patentgericht muss nach dem EU-Austritt geklärt werden. Ebenso die Auswirkungen auf europäische Patente, Marken und Designs. Denn nicht nur das geplante Einheitspatent, auch Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster verlieren nach dem Brexit ihre Wirkung in Großbritannien.
Die Suche nach Übergangsregelungen und Alternativen steht nun ganz oben auf der Agenda. Jetzt sind die europäischen Rechtsexperten gefragt.