Pressemitteilung

Ausweitung der Kooperationen und Lizenzen unter Einbeziehung der Patentinhaber statt Aussetzung von Impfstoff-Patenten

Berlin, 25.05.2021. In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich der Bundesverband Deutscher Patentanwälte (BDPA) gegen eine Aussetzung von Patenten auf Covid-19-Impfstoffe ausgesprochen. Den globalen Impfstoffmangel würde das nicht beheben, sondern könnte sich sogar kontraproduktiv auf die Situation auswirken. Nur mit der forschenden Pharmaindustrie kann die Pandemie zeitnah überwunden werden.

Alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Versorgung mit Impfstoff gerade auch in den ärmeren Ländern möglichst kurzfristig für alle sicher zu stellen, müssen oberste Priorität haben. Die derzeit im Rahmen des TRIPS-Abkommens der Welthandelsorganisation (WTO) diskutierte Aussetzung des Patentschutzes bzw. der Verzicht auf dessen Durchsetzung ist aus Sicht des BDPA aber keine geeignete Maßnahme zur Steigerung der Impfstoffproduktion, wenn nicht sogar kontraproduktiv. Die Patentinhaber, also die Impfstoff-Hersteller und Komponenten-Zulieferer, sind Teil der Lösung des Pandemieproblems, nicht dessen Ursache.

Patente sind ein wichtiges Instrument zur Förderung von Innovation. Ohne dieses Instrument wäre die schnelle Entwicklung der verschiedenen Covid-19-Impfstoffe nicht möglich gewesen. Bei einer Aufweichung des Patentschutzes wäre diese dringend notwendige Forschung in Gefahr, denn Forschung kostet Geld.

In der öffentlichen Diskussion wird die „Freigabe von Patenten“ zudem mit der Freigabe von unternehmensinternem Know-how vermischt. Die in einer Patentschrift enthalte Information wird alleine niemals ausreichen, um ein komplexes Produkt wie einen mRNA-Impfstoff mit einer Vielzahl an Komponenten von verschiedenen Herstellern produzieren zu können. Die Unternehmen, die nur die in Patentschriften enthaltenen Informationen zur Verfügung haben, müssten die Prozesse entwickeln, die die Herstellung von Impfstoffen in ausreichender Qualität und Quantität ermöglichen. Dies braucht Zeit, die zur schnellen Lösung des Pandemieproblems nicht zur Verfügung steht.
Zudem hat der BDPA bisher keine Kenntnis darüber, dass Patente auf dem Sektor der Covid-19- Impfstoffherstellung überhaupt eine rechtliche Sperrwirkung entfaltet hätten. Angemeldete Patente können bis zur Erteilung von jedem Dritten genutzt werden. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht bekannt, welche Patente im Zusammenhang mit den Covid-19-Impfstoffen angemeldet wurden.

Das eigentliche Problem, die Kapazitäten der Impfstoffproduktion weltweit auszubauen, scheitert nicht am Patentschutz. Die Impfstofffertigung lässt sich nicht beliebig schnell aufbauen, wie man am Beispiel Europa sehen kann. Nur mit einer deutlichen Ausweitung weltweiter Kooperationen sowie einer schnellen und vereinfachten Lizenzvergabe auch in Bezug auf das erforderliche Prozess-Know- how ohne neue langwierige Zulassungsverfahren und Prozessentwicklung, was bei der Nutzung von „freigegebenen Patenten“ erforderlich wäre, kann zeitnah ausreichend und qualitativ hochwertiger Impfstoff hergestellt und den Menschen zugänglich gemacht werden.

Für den Fall, dass sich Pharmaunternehmen weigern sollten, in dieser Ausnahmesituation Kooperationen und Lizenzen im notwendigen Umfang zuzustimmen, hat jeder Staat schon jetzt die Möglichkeit, im öffentlichen Interesse den Patentschutz zu begrenzen, nämlich durch das von TRIPS vorgegebene Instrument der Zwangslizenz. Ein Staat kann zudem das Benutzungsrecht direkt geeigneten Herstellern erteilen. Deutschland hat in § 5 Abs. 2 Nr. 5 Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung die Möglichkeit eingeräumt, eine Patentnutzung im Verordnungswege einzuräumen.