Stellungnahme

Initiative zur Überarbeitung der Rahmenbedingungen für Zwangslizenzierungen von Patenten in der EU

Die EU-Länder regeln  derzeit den Rahmen für die Zwangslizenzierung von Patenten in der EU mit unterschiedlichen nationalen Verfahren. Die Europäische Kommission hat nun eine Initiative zur Harmonisierung der Regelungen ins Leben gerufen. Ziel ist es, ein Zwangslizenzierungssystem in der EU zu schaffen, das weniger fragmentiert und besser an EU-weite Krisen angepasst wäre.

Zu der EU-Initiative betreffend die Revision des Rahmens für Zwangslizenzen nimmt der BDPA wie folgt Stellung:

  1. Die Schaffung und Existenz von Patenten ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Wirtschaft. Sie sind ein wesentliches Instrument zur Förderung von Innovationen und Absicherung von hierfür erforderlichen Investitionen. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur, für das Gebiet der Entwicklung und Herstellung von Pharmazeutika, beispielsweise Impfstoffen. Patente behindern nicht die Herstellung und Verteilung von Impfstoffen, sondern fördern diese. Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden: Ohne Patentschutz gäbe es vermutlich jetzt noch keinen Impfstoff gegen COVID-19.
  2. Es muss allerdings sichergestellt sein, dass eine ausreichende Versorgung mit geschützten Produkten gewährleistet wird, wenn dies im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt bzw. generell im Interesse der Öffentlichkeit liegt. Dies kann sowohl durch eine staatliche Benutzungsanordnung erreicht werden, die dies beispielsweise in § 13 des deutschen Patentgesetzes vorgesehen ist. Ein weiteres Mittel hierzu sind Zwangslizenzen an Patenten, wie sie in Bezug auf Patente in § 24 des deutschen Patentgesetzes verankert sind. In beiden Fällen steht dem Schutzrechtsinhaber eine angemessene Vergütung zu. Eine Benutzungserlaubnis für Dritte ohne angemessene Vergütung würde dem Sinn und Zweck von Patenten als Mittel zur Innovationsförderung und Investitionsabsicherung zuwiderlaufen.
  3. Derzeit ist das Erlassen von staatlichen Benutzungsanordnungen und die Vergabe von Zwangslizenzen im nationalen Recht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geregelt. Selbst im Fall des in Kürze in Kraft tretenden Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) wird in Erwägungsgrund (10) der Verordnung EU Nr. 1257/2012 festgestellt, dass Zwangslizenzen für Einheitspatente dem Recht der teilnehmenden Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihr jeweiliges Hoheitsgebiet unterliegen sollten. Nach der derzeitig geltenden Rechtslage kann es somit im Territorium der EU-Mitgliedsstaaten zu einem „Flickenteppich“ kommen, was die Benutzungserlaubnis von Patenten in den jeweiligen Mitgliedsstaaten anbelangt. Wünschenswert wäre dagegen eine einheitliche, für das gesamte Territorium der EU geltende Regelung. Jegliche Maßnahmen zur Schaffung einheitlicher Regelungen müssen das Ziel haben, forschenden und entwickelnden Unternehmen, wie bisher auch, eine starke rechtliche und wirtschaftliche Position zu ermöglichen. Andernfalls besteht die Gefahr, Innovationen zu verhindern und damit letztlich Nachteile für die Allgemeinheit zu bewirken.

Nach Auffassung des BDPA sollte als zeitnah umzusetzende Möglichkeit der Erlass einer Richtlinie zur Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften aller EU-Mitgliedsstaaten betreffend den Erlass von staatlichen Benutzungsanordnungen und die Gewährung von Zwangslizenzen an Patenten angestrebt werden. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:

(a) Derartige Maßnahmen müssen absolute Ausnahmefälle bleiben. Es müssen entsprechend hohe, aber einheitliche Anforderungen an das Bestehen eines öffentlichen Interesses bzw. die Belange der öffentlichen Wohlfahrt gestellt werden. Abgesenkte Anforderungen an solche Maßnahmen gefährden nicht nur den Schutz von Investitionen, sondern auch Innovationen generell. In Bezug auf Impfstoffpatente könnte man provokant feststellen: Ohne Patente gäbe es keine Impfstoffe und man müsste sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob solche Patente die Versorgung der Weltbevölkerung mit Impfstoff beeinträchtigen.

(b) Verfahren zum Erlass von Zwangslizenzen müssen ausreichend schnell geführt werden können. Daher sollten im Ausnahmefall bei entsprechender Eilbedürftigkeit Zwangslizenzen auch im Wege der einstweiligen Verfügung erteilt werden können. Dies wäre zumindest ein erster Schritt in Richtung einer EU-weiten Harmonisierung in dieser Hinsicht.

Abschließend möchte der BDPA darauf hinweisen, dass die Diskussion um eine Aussetzung von Patentschutz für Impfstoffe, die wohl auch der vorliegenden Initiative zugrunde liegt, völlig vernachlässigt, dass selbst bei einer Benutzungserlaubnis für Dritte nicht sichergestellt werden kann, dass patentgeschützte Produkte ausreichend schnell durch Dritte produziert werden können. Hierfür wäre auch das Knowhow des jeweiligen Patentinhabers erforderlich, das den Patenten nicht entnommen werden kann.
Ein Zwang zur Offenlegung des Knowhows scheint weder rechtlich noch praktisch durchsetzbar. Als Beispiel sei darauf verwiesen, dass die Firma Biontech im Februar 2022 modulare Fabriken für die Impfstoffproduktion, beispielsweise in Afrika, vorgestellt hat (siehe: https://www.businessinsider.de/wissenschaft/biontainer-biontech-setzt-auf-impfstoff-container-in-afrika-a/). Biontech stellt in Aussicht, dass etwa ein Jahr nach der Auslieferung an den Zielort mit einem Produktionsbeginn gerechnet werden kann. Mit anderen Worten: Selbst unter Einsatz des Knowhows des Patentinhabers dauert es ein Jahr, um einen Impfstoff in einer Umgebung herzustellen, die bereits alle erforderlichen Einrichtungen bereitstellt. Unschwer kann man sich vorstellen, dass der Produktionsbeginn ohne eine Nutzung des Knowhows des Patentinhabers wesentlich weiter in der Zukunft liegen würde. Ein Benutzungsrecht an gewerblichen Schutzrechten kann also allein sicher nicht den verständlichen Wunsch nach einer schnellen Versorgung der Weltbevölkerung mit Impfstoffen erfüllen. Der BDPA hält vielmehr die konstruktive Zusammenarbeit mit den Patentinhabern und den Unternehmen für die zielführende Lösung.