Nicht ohne Grund sind diese Bestimmungen und Verpflichtungen sowohl im anwaltlichen Berufsrecht verankert als auch in den einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen (§ 203 StGB und § 356 StGB).
Diese Bestimmungen sind nach unserer Auffassung wesentlich und tragend für die Stellung der Anwälte als Organ der Rechtspflege. Für die Wahrung und Einhaltung der Bestimmungen und Verpflichtungen sind deswegen neben der Rechtsverfolgung aufgrund der strafrechtlichen Vorschriften auch die Überwachung der Einhaltung der beruflichen Verpflichtungen durch die zuständigen Anwaltskammern von besonderer Bedeutung.
Die Kammern können die Einhaltung der Bestimmungen jedoch nur gegenüber denjenigen Personen wirksam durchsetzen, die aufgrund einer entsprechenden einschlägigen Qualifikation Mitglied der entsprechenden Kammer sind. Für uns ist es deswegen keine Lösung, dass in einem berufsrechtlichen Zusammenschluss Gesellschafter beteiligt sind, die nicht selbst Mitglied einer entsprechenden Kammer sind. Eine Öffnung der Kammern auch für Mitglieder, die lediglich als beteiligte Gesellschafter eines berufsrechtlichen Zusammenschlusses Mitglied werden sollten, halten wir für nicht praktikabel. Die Kammern werden die entsprechenden Personen nicht ausreichend kontrollieren können, um auch gegenüber diesen Personen die Einhaltung der berufsrechtlichen Bestimmungen durchsetzen zu können.
Mit der vorgesehenen weitgehenden Öffnung der Berufsgruppen, mit denen Anwälte gemeinsame Berufsausübungsgesellschaften gründen können, sehen wir unlösbare Probleme bei der Überwachung der Einhaltung der berufsrechtlichen anwaltlichen Verpflichtungen.
Dies gilt insbesondere für die Öffnung der beruflichen Zusammenschlüsse auch mit solchen selbständigen Berufen, die selbst nicht entsprechenden Verpflichtungen zur Geheimhaltung und zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen unterliegen.
Für diese Berufsgruppen gelten Beschränkungen der Akquise von neuen Kunden und neuen Aufträgen erst mit einer erheblichen Schwelle der Unlauterkeit im Verhältnis zu deren Wettbewerbern sowie im Geltungsbereich von Vorschriften des Verbraucherschutzes, die dann schon auf Täuschungstatbestände abzielen. Diese Schwelle reicht bei Weitem nicht aus, um das Ansehen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit des anwaltlichen Berufsstandes zu wahren. Bei solchen beruflichen Zusammenschlüssen würde werbliches Auftreten der anderen in dem beruflichen Zusammenschluss vertretenen Berufsgruppen auch auf die anwaltlichen Mitglieder der beruflichen Zusammenschlüsse abfärben.
Wir sehen für derartige berufliche Zusammenschlüsse ohnehin keine Notwendigkeit. Wenn es bei den anderen Berufsgruppen des beruflichen Zusammenschlusses nicht um rechtsberatende Dienstleistungen selbst geht, handelt es sich um Kundenbeziehungen, die unter Umständen Gegenstand eines Mandatsverhältnisses zu einem Anwalt sein können. Aus unserer Sicht ist es dafür jedoch keineswegs notwendig, dass dafür ein berufsrechtlicher Zusammenschluss bestehen muss. Die Ausübung entsprechender rechtlicher Beratung sowie die rechtliche Vertretung ist aus unserer Sicht im Sinne der Stellung des jeweiligen Anwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege sogar viel besser gegeben, wenn diese Tätigkeit in einem reinen Mandatsverhältnis ausgeführt wird, ohne dass ein berufsrechtlicher Zusammenschluss besteht.
Aus diesen Gründen sehen wir die Begrenzung der beruflichen Zusammenschlüsse von Anwälten im bisher bestehenden Umfang auf die Berufsgruppen der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als ausreichend und sinnvoll an. Dies gilt im entsprechenden Umfang auch für berufsrechtliche Zusammenschlüsse, die nach dem Recht eines anderen Staates geschlossen werden bzw. die in einem anderen Staat ihren Sitz haben.
Im Folgenden wird zu den Regelungen, die nach Ansicht des BDPA die gravierendsten Probleme aufwerfen, im Detail Stellung genommen:
Zu §39a PAO
Die angedachte Regelung geht weit über die bisherige Regelung hinaus. Die bisherige Regelung findet sich in Abs. 4 Nr. 1 der angedachten Neuformulierung wieder und ist nach Ansicht des BDPA ausreichend. Schließlich knüpft sie an dem einzig relevanten Punkt, nämlich der Frage, ob ein echter Interessenskonflikt besteht, an. Die in Abs. 4 Nr. 2 formulierte Bedingung für ein Tätigkeitsverbot ist hingegen unabhängig davon formuliert, ob die Interessen der Partei, von der der Patentanwalt seine vertraulichen Informationen erhalten hat, tatsächlich verletzt werden. Dies ist sicherlich dann nicht der Fall, wenn aus der Tatsache, dass der Patentanwalt über dieses Hintergrundwissen verfügt, keine Nachteile für diese Partei entstehen.
Aufgrund der komplexen technischen Zusammenhänge, in denen sich der Patentanwalt bewegt, ist es kaum möglich, bereits zu Beginn einer Mandatsbearbeitung auszuschließen, dass gegebenenfalls technisches Hintergrundwissen des Patentanwalts relevant wird, das ihm im Rahmen eines früheren Mandats von einer anderen Partei offenbart worden ist. Dies lässt sich in der Praxis erst nach einer intensiven und umfassenden Einarbeitung in die Details des Falles abschließend bewerten. Denn technische Gegebenheiten und Zusammenhänge gelten oftmals auf einer Vielzahl unterschiedlicher technischer Sachgebiete. In der Praxis wird dies in den meisten Fällen Bereiche betreffen, in denen die Mandanten beispielsweise auf völlig unterschiedlichen Märkten tätig sind und keinerlei wirtschaftliche Berührungspunkte aufweisen, denn ein Patentanwalt vertritt eben wegen des nach der bestehenden Rechtslage geltenden Verbots typischerweise nicht miteinander konkurrierende Wettbewerber.
Zudem wird die dem Patentanwalt typischerweise vertraulich mitgeteilte Information häufig im Laufe des Verfahrens zum Stand der Technik, der allgemein zugänglich ist. Jeder Dritte könnte dieses Wissen dann nutzen, lediglich der Patentanwalt, der es einmal im Rahmen eines Mandates – und damit auf vertraulichem Wege – erhalten hat, wäre nach der Formulierung in Abs. 4 Nr. 2 weiterhin davon abgehalten. Konsequent angewendet, würde die angedachte Regelung in Abs. 4 Nr. 2 dazu führen, dass möglicherweise Mandate in hochkomplexen Fällen „halber Strecke“ niedergelegt werden müssten, ohne dass die Interessen der anderen Partei dadurch hier berührt worden wären.
Von daher wäre es zu begrüßen, es bei der bisherigen rechtlichen Regelung zu belassen. Schließlich lässt sich diese auch auf Fälle anwenden, in denen in redestehendes Wissen des Patentanwalts zu jedem gegebenen widerstreitenden Interesse führt. In allen anderen Fällen, in denen ein solches widerstreitendes Interesse nicht gegeben ist, steht im Grunde auch kein Anlass, dem Patentanwalt seine Tätigkeit zu versagen.
Zu §52b PAO
Der BDPA hält es für unglücklich, nahezu sämtliche auf dem Gebiet der EU existierenden Gesellschaftsformen zwingend für die Berufsausübungsgesellschaften zuzulassen. Es ist in keiner Weise zu übersehen (und vor allem für Dritte, insbesondere für Mandanten, kaum einzuschätzen), inwieweit sich die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, die die jeweiligen Gesellschaften betreffen, mit dem Berufsrecht rechtsberatender Berufe überhaupt in Einklang bringen lassen. Streng genommen wäre zu prüfen gewesen, inwieweit sämtliche in allen Mitgliedstaaten der EU mögliche Gesellschaftsformen jeweils in unproblematischer Weise mit dem jeweiligen Berufsrecht des jeweiligen rechtsberatenden Berufes vereinbar sind. Es kann kaum davon ausgegangen werden, dass eine solche Prüfung, insbesondere unter der Hinzuziehung ausländischer Rechtsexperten, die dies überhaupt erst abschließend beurteilen können, tatsächlich erfolgt ist. Von daher hält der BDPA die uneingeschränkte Zulassung praktisch aller Gesellschaftsformen für die Berufsausübungsgesellschaft für fahrlässig.
Zu §52c PAO
Die Möglichkeit, die Verbindung von Patentanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe über die durch die „Horn“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geschaffene Rechtslage hinaus auszudehnen, lehnt der BDPA ab.
Aus rein praktischen Gründen ist die Verbindung von Patentanwälten nur mit Angehörigen solcher Berufe praktikabel, die ebenfalls einer entsprechenden Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen und darüber hinaus auch ein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen. Aufgrund der Tatsache, dass in der Praxis eine gesellschaftsinterne Geheimhaltung möglicherweise sensibler Informationen aus der Mandatsbearbeitung zwischen den Partnern in der Praxis kaum zu bewerkstelligen ist, kann nicht sichergestellt werden, dass solche Informationen, für die eine Verschwiegenheitsverpflichtung und/oder ein Zeugnisverweigerungsrecht relevant sind, lediglich solchen Personen zur Kenntnis gelangen, die durch dieses erfasst sind. Abgesehen davon, dass rein praktische Erwägungen dagegen sprechen, sieht der BDPA hier auch einen Konflikt zwischen unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen. So haben beispielsweise persönlich haftende Gesellschafter regelmäßig nahezu uneingeschränkte Einsichtsrechte innerhalb ihrer Gesellschaft. Die Frage ist, wie sie diese wahrnehmen können sollen, wenn gleichzeitig für sie möglicherweise nicht die gleichen Verschwiegenheitsverpflichtungen und/oder Zeugnisverweigerungsrecht gelten, die für diejenigen Gesellschafter, denen diese Informationen anvertraut worden sind?
Auch der Möglichkeit eines Zusammenschlusses mit Berufsträgern, die in anderen Staaten zugelassen sind, steht der BDPA ablehnend gegenüber. Auch in diesen Fällen ist nicht sichergestellt, dass Verschwiegenheitsverpflichtung und Zeugnisverweigerungsrecht in einem hinreichenden Maße gewährleistet sind, um das gesetzlich geschützte Vertrauensverhältnis, von dem auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung ausgegangen ist, zu gewährleisten.
Fazit
Über den Handlungsbedarf, den das Bundesverfassungsgericht nach der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfes geschaffen hat, geht der vorliegende Gesetzentwurf weit hinaus. Dies schafft eine Reihe gravierender offensichtlicher Probleme, die geeignet sind, die Qualität der Rechtspflege in der Bundesrepublik Deutschland massiv und nachhaltig zu gefährden. Dieses Risiko geht der vorliegende Gesetzentwurf ein, ohne dass es hierfür überhaupt einen erkennbaren Bedarf gibt. Interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den genannten Berufsgruppen ist auch möglich, ohne dass sich diese Berufsgruppen in einer Gesellschaft zusammenschließen. Insbesondere die Patentanwaltschaft ist es gewohnt, mit Kollegen im Ausland und inländischen Rechtsanwälten Fälle Hand in Hand zu bearbeiten, ohne dass hierfür ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss notwendig ist (wobei der Zusammenschluss mit inländischen Rechtsanwälten durchaus problemlos möglich ist und gemischte Kanzleien keine Seltenheit sind). Der BDPA hat den Eindruck gewonnen, dass das vorliegende Gesetzesvorhaben aus Sicht des Praktikers möglicherweise nicht umfassend genug im Hinblick auf seine Folgen und Komplikationen untersucht worden ist. Der BDPA empfiehlt daher, den vorliegenden Entwurf nicht als Regierungsentwurf in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen, ohne dass eine weitere und umfassende Prüfung der möglichen Folgen, die insbesondere auch den intensiven Austausch mit Praktikern aus den betroffenen Berufen zum Gegenstand haben sollte, erfolgt ist.