Stellungnahme

Reform der EQE

Das Europäische Patentamt strebt eine Reform der Europäischen Eignungsprüfung (EEP/EQE) an. Ziel ist es unter anderem, die Prüfung ausschließlich digital durchzuführen. Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte (BDPA) hat zu dem EQE-Reformvorhaben wie folgt Stellung genommen.

1. Der BDPA begrüßt die Initiative zur Modernisierung der Europäischen Eignungsprüfung, insbesondere das neue Konzept zur Europäischen Eignungsprüfung (EEP/EQE), welches ein an die digitalisierte Prüfungsumgebung angepasstes Format vorsieht.

2.  Grundsätzlich ist der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation nach Artikel 33 (1) b) EPÜ befugt, insbesondere die Vorschriften des Siebten Teils des EPÜ, die Gemeinsamen Vorschriften, zu ändern. In diesem stellt Artikel 134a (1) (b) EPÜ klar, dass der Verwaltungsrat befugt ist, Vorschriften über die Vor- und Ausbildung, die eine Person besitzen muss, um zur europäischen Eignungsprüfung zugelassen zu werden, und die Durchführung dieser Eignungsprüfung zu erlassen und zu ändern. Der Verwaltungsrat hat hierzu die geltende Fassung der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter (VEP/REE) erlassen, welche gemäß Artikel 3 (7) Satz 1 VEP/REE die Befugnis zur Ausarbeitung und Anpassung der Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (ABVEP/IPREE) für die beim Europäischen Patentamt zugelassene Vertreter auf den Aufsichtsrat übertragen. Artikel 2 (1) VEP/REE bestimmt, dass sich der Aufsichtsrat (Supervisory Board) aus zwei Vertretern des EPA und zwei Mitgliedern des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (epi) zusammensetzt. Der Der Präsident des EPA ist gemäß Artikel 3 (7) Satz 2 REE ermächtigt, vor einem Erlass geänderter ABVEP/IPREE solche Bestimmungen abzulehnen, die zu einer erhöhten finanziellen Verpflichtung des EPA führen würden.

3. Die Ausgestaltung der EEP/EQE und damit auch der derzeit vorliegende Entwurf der VEP/REE berühren auch die nationalen Interessen der Vertragsstaaten, insbesondere der deutschen Patentanwaltschaft.
Denn zum einen darf gemäß Artikel 134 (6) EPÜ jeder zugelassene und eingetragene Vertreter zur Ausübung seiner Tätigkeit als zugelassener Vertreter einen Geschäftssitz in jedem Vertragsstaat, beispielsweise Deutschland, begründen. Die zugelassenen Vertreter bezeichnen sich in der Praxis meist als „European Patent Attorney“ (auf Deutsch: „Europäischer Patentanwalt“), da sich die deutsche Bezeichnung „Zugelassener Vertreter vor dem Europäischen Patentamt“ für den praktischen Gebrauch als zu sperrig erweist. Damit ergibt sich für die rechtlich oftmals nicht geschulte potenzielle Mandantschaft die Gefahr einer Verwechslung bzw. Gleichsetzung mit der nationalen deutschen Berufsbezeichnung „Patentanwältin“ oder „Patentanwalt“ nach §18 PAO.Zum anderen ist die Vertretungsbefugnis vor dem Europäischen Patentamt nach Artikel 134 (1) EPÜ als komplementär zur nationalen Vertretungsbefugnis anzusehen. Denn jede Mandantschaft erwartet von einem deutschen Patentanwalt bzw. einer deutschen Patentanwältin, dass dieser bzw. diese ihre Interessen nicht nur vor den nationalen Behörden, sondern auch vor dem Europäischen Patentamt wahrnehmen und eine entsprechend umfassende Beratung erbringen kann. Folglich ist es für die deutsche Patentanwaltschaft von größtem Interesse, dass auch künftige Generationen von zugelassenen Vertretern vor dem EPA den gewohnt hohen Ausbildungsstandard erreichen und „fit für die Praxis“ sind.

Dies gilt in gleichem Maß auf für alle anderen Vertragsstaaten des EPÜ. In Vertragsstaaten wie England, die Schweiz und Liechtenstein, die für das Erlangen der jeweiligen nationalen Patentanwaltsqualifikation auf die EEP/EQE ganz oder teilweise zurückgreifen, ist die Bedeutung einer zuverlässig hohen Qualifikation von zugelassenen Vertretern ebenfalls essenziell.

Der Entwurf der neuen VEP/REE und auch die neuen ABVEP/IPREE müssen den bisherigen hohen Ausbildungsstandard zumindest sicherstellen.

4. Das von einer Arbeitsgruppe, die vom EPA und dem epi eingesetzte Mitglieder umfasste, erstellte neue Konzept zur EEP/EQE wurde am 12. Mai 2022 vorgestellt. Am 31. Mai 2022 wurde für drei Monate die Möglichkeit gegeben, Beispielprüfungen zu schreiben und zu kommentieren.
Seit der am 31. Mai 2022 gegebenen Möglichkeit, den damaligen Stand der Entwicklung eines neuen Konzepts für die EQE zu kommentieren, gab es für beteiligte und interessierte Kreise außerhalb des epi keine Möglichkeit, den jeweils aktuellen Stand der Entwicklung zu verfolgen oder gar zu beeinflussen. Selbst der epi Council hat erst im Juli 2023 einen Entwurf der VEP/REE bzw. ABVEP/IPREE mit den bis dahin gegenüber dem ursprünglichen Entwurf vorgenommenen Änderungen erhalten.

Die bisherigen Leistungen und Arbeiten in Bezug auf das neue Konzept der EEP/EQE wird vom BDPA anerkennend wahrgenommen, jedoch ist die Intransparenz des Verfahrens und das damit einhergehende Misstrauen aus der Sicht des BDPA zu kritisieren. Der BDPA spricht sich daher für ein künftiges transparenteres Vorgehen aus, welches es den beteiligten Kreisen, insbesondere nationalen Verbänden, ermöglicht, Stellungnahmen zu dem jeweils aktuellen Stand der Entwürfe für die VEP/REE bzw. ABVEP/IPREE abzugeben. Insbesondere in Bezug auf Änderungen gegenüber vorhergehenden Versionen, die über das rein technische hinausgehen. Dies gilt im Besonderen für die Voraussetzungen, die für die Zulassung zur EEP/EQE zu erfüllen sind.

5. Durch den derzeitigen Entwurf zur Änderung der VEP/REE wird vor allem eine Anpassung der EEP/EQE an die digitalisierte Prüfungsumgebung vorgenommen. Dies begrüßt der BDPA ausdrücklich, solange nicht durch eine Reduzierung der Komplexität von Prüfungsaufgaben, die zwingend einhergeht mit einer Verkürzung der Bearbeitungszeit, auch die Anforderungen an die Fähigkeiten eines Bewerbers oder Bewerberin reduziert werden, wie dies in dem vorliegenden Entwurf für die ABVEP/IPREE der Fall ist. Die Erhöhung der Anzahl von zu absolvierenden Prüfungsteilen zugunsten einer reduzierten Bearbeitungszeit lehnt der BDPA daher ausdrücklich ab, zumindest in Bezug auf Prüfungsaufgaben, wie das Abfassen von Patentansprüchen, das Erstellen eines Einspruchsschriftsatzes oder das Erstellen eines Rechtsgutachtens.

6. Weiterhin sieht der vorliegende Entwurf für die VEP/REE einen deutlich erleichterten Zugang für Prüfer des EPA zur Qualifikation als europäischer Vertreter vor. Derzeit ist nach Artikel 11 (2) (b) VEP/REE gefordert, dass ein Prüfer mindestens vier Jahre Vollzeit als Prüfer beim EPA tätig war und zusätzlich mindestens zwei Jahre nach Artikel 11 (2) (a) VEP/REE iVm Artikel 11 (5) VEP/REE, Regel 16 (2) ABVEP/IPREE ein Praktikum bei einem zugelassenen Vertreter vor dem EPA absolviert haben oder nach Artikel 133 (3) EPÜ gehandelt haben muss. Der neue Entwurf sieht jedoch nunmehr vor, dass ein Prüfer nach Artikel 11 (a) VEP/REE (neu) iVm Artikel 11 (2) (b) REE (neu) lediglich drei Jahre Vollzeit beim EPA angestellt war und nach Artikel 14 (2) VEP/REE (neu) nur noch eine Praktikumsdauer von einem Jahr absolviert hat.

Ebenso, wie es Zeit braucht, bis aus einem Patentanwalt ein für die Praxis fitter Patentprüfer wird, braucht auch ein Prüfer Zeit, um ein für die Praxis fitter zugelassener Vertreter zu werden. Ein zugelassener Vertreter muss im Verlauf seiner Ausbildung umfangreiche Fähigkeiten erwerben. Diese umfassen neben Kenntnissen betreffend das Führen von Verfahren vor dem EPA, auch die Beratung von rechtsuchenden Personen und das Abfassen von Patentanmeldungen. Ein Prüfer des EPA erwirbt während seiner Ausbildung und Tätigkeit beim Amt nur die erstgenannte Fähigkeit. Aus der Sicht des BDPA hat sich die vorhergehende Praktikumszeit von zwei Jahren bewährt. Vielmehr ist es aus Sicht des BDPA nur durch eine ausreichende Praktikumsdauer möglich, die von einem europäischen Vertreter geforderten und über die Prüfertätigkeit hinausgehenden Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwerben. Hierzu gehören neben theoretischen Kenntnissen des EPÜ auch die Fähigkeit, Erfindungen in Anmeldungen zu gießen und die Fähigkeit zur umfassenden Beratung des Mandanten, nicht nur in Verfahren, die Im EPÜ geregelt sind, sondern auch in Verfahren zur Durchsetzung von Rechten aus einem erteilten europäischen Patent. Denn europäische Vertreter wirken regelmäßig in Verletzungsverfahren mit, auch, wenn hier zumindest in Deutschland, kein alleiniges Vertretungsrecht besteht. Weiterhin muss ein Prüfer während der Praktikumszeit auch die mit dem Berufsstand verbundenen Rechte und Pflichten verinnerlichen.

Der BDPA spricht sich daher für eine Beibehaltung der Praktikumszeit nach Artikel 11 (2) (a) VEP/REE iVm Artikel 11 (5) VEP/REE, Regel 16 (2) ABVEP/IPREE von zwei Jahren aus.

7. In Ergänzung der vorstehend geäußerten generellen Kritik an dem Entwurf für die ABVEP/IPREE wird seitens des BDPA darauf hingewiesen, dass die Kompetenzen eines Kandidaten, auf Weisungen des Mandanten Patentdokumente und Einreichungen zu analysieren, bearbeiten und zu erstellen, nur noch in dem sich aus drei Teilen M3.1, M3.2 und M3.3 zusammensetzenden Modul M3 nach Regel 25 ABVEP/IPREE geprüft werden sollen, wobei die Teile M3.1, M3.2 und M3.3 insgesamt einen zeitlichen Rahmen von 7,5 Stunden umfassen.

Dieses Modul ist zumindest teilweise mit den bisherigen Teilen A, B und C der EEP/EQE in der derzeitigen Fassung vergleichbar, wobei diese Teile einen zeitlichen Umfang von 4 Stunden für den Teil A, 3,5 Stunden für den Teil B und 5-6 Stunden für den Teil C aufwiesen. In Anbetracht dessen, dass sich die neuen Module mehr auf die materiell rechtlichen Aspekte beschränken und formale Aspekte hingegen mehr durch die Module M1, M2 und M4 abgeprüft werden sollen, sieht der BDPA dennoch das Problem, dass die Komplexität aufgrund mehrere in der Prüfung befindliche und zu lesende Dokumente zwangsläufig aufgrund einer Limitierung der Zeit reduziert wird.

Aus der Sicht des BDPA erscheint es daher sinnvoll, die einzelnen Teile des Moduls M3 so zu gestalten, dass diese aufeinander aufbauen, um die Komplexität der Aufgaben im Vergleich zur EEP/EQE nach altem Muster wenigstens teilweise aufrecht zu erhalten. Somit könnte beispielsweise in M3.1 eine Anmeldung in den Grundzügen ausgearbeitet werden. Auf demselben Gebiet mit überschneidenden Informationen könnte anschließend in M3.2 ein Bescheid argumentiert werden. In Teil M3.3 könnte dann – mit neuem Stand der Technik – ein Einspruchsschriftsatz gegen das betreffende Patent ausgearbeitet werden. Zur Klarstellung wird betont, dass es nicht die Bestrebung des BDPA ist, eine möglichst hohe Durchfallquote durch das Modul M3 zu erzielen, sondern dessen Aufgabenstellung, soweit es im Rahmen einer Prüfung möglich ist, in konzentrierter Weise an den Anforderungen zu orientieren, die im praktischen Alltag an einen europäischen Vertreter gestellt werden.

Dies erfordert nicht zwingend, dass alle Teile M3.1, M3.2 und M3.3 in einer Sitzung geschrieben und bestanden werden müssen. Einem Wiederholungskandidaten könnten die erforderlichen Angaben des Teil M3.1 bzw. M3.2 kurzfristig vor dem Beginn der jeweiligen Prüfung zugänglich gemacht werden.

8. Artikel 6 ABVEP/IPREE (neu) regelt in einer neuen Herangehensweise die zu erreichende Punktzahl, um ein Modul zu bestehen. Diese neue Herangehensweise fordert für das erfolgreiche Bestehen eines Moduls, dass eine flexibel festlegbare Grenze von mindestens 25% bis 75% der möglichen Gesamtpunktzahl erreicht werden muss. Grundsätzlich unterstützt der BDPA die Intention der Regelung, die darauf abzielt, bei der Bewertung der Prüfungen eine gewisse Flexibilität zu schaffen.

Dennoch ist aus der Sicht des BDPA zu kritisieren, dass durch die derzeitige Formulierung der Regelung einem Prüfling keine Erwartungshaltung an die zu erreichende Leistung vermittelt wird. Vielmehr vermittelt diese neue Herangehensweise eine gewisse Willkür, da die Festlegung der zu erreichenden Mindestpunktzahl erst retrospektiv bestimmt werden kann. Der BDPA befürwortet stattdessen, vergleichbar zu der bisherigen Regel 6 (2) ABVEP/IPREE, eine unterste Grenze zum Bestehen eines Moduls auf 50% der Gesamtpunktzahl als Grundsatz festzulegen. Führt die Anwendung dieses Grundsatzes zu Prüfungsergebnissen zu einer Nicht-Bestehensquote von mehr als beispielsweise 60 %, so sollte die erforderliche Mindestpunktzahl nach unten korrigiert werden können, beispielsweise auf minimal 40 %. Aus der Sicht des BDPA sollte die retrospektive Anpassung der Punktzahl lediglich ein Instrument sein, um als Korrektiv zu dienen, eine zu hohe Hürde an die Mindestbefähigungsüberprüfung zu korrigieren. Das grundsätzliche Ziel, vergleichbare Prüfungsaufgaben zu stellen, muss dabei immer im Vordergrund stehen.

9. Artikel 20 REE (neu) bestimmt, dass das neue Konzept der EEP/EQE ausschließlich online durchgeführt wird. Aus Sicht des BDPA entspricht eine derartige Regelung jedoch nicht dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Denn Prüflinge, die im privaten oder beruflichen Umfeld eine ungleich höhere Hürde zur Erfüllung der technischen oder räumlichen Anforderungen zu überwinden haben als andere, sind hierdurch benachteiligt. Es ist daher im Rahmen der Gleichbehandlung erforderlich, zumindest ein bestimmtes Kontingent an Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen, an welchen diese Prüflinge auf Antrag die EEP/EQE ablegen können. Dies könnte beispielsweise dadurch erfolgen, dass in den Räumlichkeiten des EPA in einem überwachten Raum an bereitgestellten PCs die EEP/EQE abgelegt werden kann.

Autoren: Dr. Rolf Lechner, Carina Ehrig, Thomas Bürvernich, Prof. Thomas Eder