Stellungnahme

Vertretungsbefugnis für Patentanwältinnen und Patentanwälte

Mit Bitte um Einleitung eines entsprechenden Verfahrens hat sich der Bundesverband Deutscher Patentanwälte an das Bundesministerium der Justiz gewandt. Wir halten es für an der Zeit, dass auch Patentanwälte und Patentanwältinnen das volle Vertretungsrecht in den Verfahren vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten betreffend gewerbliche Schutzrechte, also in Patent-, Gebrauchsmuster-, Marken- und Designstreitsachen (nachfolgend kurz „IP-Streitsachen“), erhalten. Dazu nachfolgend mehr unter Ziffer 1.

Auch halten wir es für geboten, dass Patentanwältinnen und Patentanwälte in Klagen gegen das EUIPO vor dem EuG das volle Vertretungsrecht erhalten. Auch wenn dieses nicht unmittelbar in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz fällt, da hierfür die Institutionen der Europäischen Union zuständig wären, bitten wir hierfür um Unterstützung und werden hierauf auch unter Ziffer 2 eingehen.

1.

Bereits jetzt können Patentanwältinnen und Patentanwälte in IP-Streitsachen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten, ja sogar in entsprechenden Revisionsverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof mitwirken. Diese in § 4 Abs. 1 PAO geregelte Mitwirkung war in der Vergangenheit gängige Praxis.

Ein gewisser Ausgleich dafür, dass Patentanwältinnen und Patentanwälte ihre Mandanten in den vorgerichtlichen Verfahren gegenüber der jeweiligen Gegenseite vollumfänglich beraten und vertreten haben, dann aber für das gerichtliche Verfahren einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin mit hinzuziehen mussten, war durch die volle Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Mitwirkung gegeben (§143 Abs. 3 PatG, § 27 Abs. 3GebrMG, § 140 Abs. 4 MarkenG, § 52 Abs. 4 PatG). Danach wären die Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts oder einer Patentanwältin entstanden sind, in Höhe der Gebühren nach Paragraf 13 RVG auch ohne Notwendigkeitsprüfung erstattungsfähig. Diese Regelung wurde jedoch jüngst durch den Gerichtshof der Europäischen Union (Entscheidung des EuGH vom 28. April 2022, C-531/20 – NovaText) und in der Folge nur konsequenterweise auch durch den Bundesgerichtshof (Entscheidung des BGH vom 13. Oktober 2022, I ZB 59/19 – Kosten des Patentanwalts VII) für das Markenrecht gekippt.

In den meisten Fällen melden Patentanwälte und Patentanwältinnen für ihre Mandanten gewerbliche Schutzrechte an und verteidigen sie in Verfahren vor dem DPMA und dem Bundespatentgericht sowie in Patentnichtigkeits-Berufungsverfahren sogar vor dem Bundesgerichtshof. Auch Abmahnungen und entsprechende Erwiderungen bei Schutzrechtsverletzungen werden häufig durch Patentanwältinnen und Patentanwälten ausgesprochen. Kommt es dann in Ermangelung einer außergerichtlichen Einigung zum gerichtlichen Verfahren, sind Patentanwältinnen und Patentanwälte auf die Mitwirkung reduziert. Wenn es dann noch zweifelhaft ist, was gerade in Marken- oder Designstreitsachen durchaus wahrscheinlich ist, ob die patentanwaltliche Mitwirkung überhaupt erstattungsfähig ist, und so der Mandant Gefahr läuft, auf diesen Kosten sitzen zu bleiben, werden Patentanwältinnen und Patentanwälte faktisch auch von der Mitwirkung abgeschnitten. Wir sehen hierin eine ungerechtfertigte Benachteiligung unseres Berufsstandes.

Aber auch bei voller Kostenerstattung für die Mitwirkung liegt in der Reduzierung des Patentanwalts / der Patentanwältin auf die bloße Mitwirkung eine Beschränkung der patentanwaltlichen Tätigkeit, die nicht mehr zeitgemäß ist:

Erstmals wurde eine Kostenerstattung für einen mitwirkenden Patentanwalt mit dem Patentgesetz 1936 (PMZ 1936, 78ff) und zwar konkret in § 51 Abs. 5 PatG 1936) eingeführt. Damit wurde die Mitwirkung erstmals als generell zweckentsprechend anerkannt, was seinerzeit ein großer Fortschritt war. Dieses war in einer Zeit, in der Patentanwältinnen und Patentanwälte über keine allgemein juristische Zusatzausbildung verfügten. Seinerzeit wurden Patentanwälte lediglich durch ein gesetzlich nicht näher geregeltes „Training on the Job“ von erfahrenen Patentanwältinnen und Patentanwälten ausgebildet. Mit dem Inkrafttreten der PAO im Jahre 1968 kamen Arbeitsgemeinschaften durch die Patentanwaltskammer u.a. im allgemeinen Recht sowie das sogenannte Amtsjahr mit Ausbildungsabschnitten beim Deutschen Patent- und Markenamt, beim Bundespatentgericht und – optional – bei einem Gericht für Patentstreitsachen (Landgericht oder Oberlandesgericht) hinzu. Seit Mitte der 1990er Jahre wird den Patentanwaltsbewerbern und -bewerberinnen auch eine recht umfassende juristische Ausbildung angeboten, welche inzwischen gemäß § 7 Abs. 3 PAO verpflichtend geworden ist. Danach muss eine Bewerberin oder ein Bewerber die Ausbildung bei einem Patentanwalt oder Patentassessor durch ein Studium im allgemeinen Recht an einer Universität ergänzen. Die Fernuniversität Hagen hat hierfür auf Veranlassung und in Kooperation mit der Patentanwaltskammer das sogenannte Hagen-I-Studium eingerichtet, welches sich auf diejenigen Rechtsgebiete erstreckt, die ein Patentanwalt oder Patentassessor neben dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes kennen muss. Konkret werden Kenntnisse der Grundzüge auf den Gebieten Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht, Wirtschaftsrecht, gerichtliches Verfahrens-, insbesondere Zivilprozessrecht, Verfassungsrecht, allgemeines Verwaltungsrecht und Europarecht vermittelt. Das Studium wird mit einer Prüfung abgeschlossen, welche Voraussetzung zur Teilnahme an der Prüfung zum Patentassessor ist.

Hinzu kommt das bereits erwähnte optionale Praktikum bei einem Gericht für Patentstreitsachen eines Land- oder Oberlandesgerichts, in welchem die Bewerber und Bewerberinnen die Arbeitsweise eines Zivilgerichts kennenlernen. Hiervon wird umfänglich Gebrauch gemacht.

Die seither ausgebildeten Patentanwälte und Patentanwältinnen verfügen somit über gute Kenntnisse des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts. Gegenstand der mündlichen Prüfung sind neben dem bürgerlichen Recht regelmäßig das Arbeit-, das Handels-, das Gesellschaft-, das Insolvenz- und natürlich das Zivilprozessrecht.

Wir sind überzeugt, dass die so ausgebildeten Patentanwältinnen und Patentanwälte aufgrund ihrer Ausbildung absolut auf Augenhöhe mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten agieren können. Sie verfügen nicht nur über die erforderlichen Rechtskenntnisse im Zivilprozessrecht, sondern sind kraft ihrer theoretischen und praktischen Ausbildung ausgewiesene Fachleute im materiellen Recht des gewerblichen Rechtsschutzes, welches in der Regel in allen Verfahren im Vordergrund vor verfahrensrechtlichen Fragen steht. Wir sind daher auch überzeugt, dass eine Patentanwältin oder ein Patentanwalt einen Mandanten zumindest ebenso gut wie eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt allein vertreten kann. Ihnen ist die volle Vertretung jedoch nicht erlaubt, umgekehrt aber jedem Rechtsanwalt oder jeder Rechtsanwältin, auch wenn er oder sie nicht über die nötigen Kenntnisse des materiellen Rechts verfügt.

Wir sind der Meinung, dass die praktische Ausbildung beim DPMA und dem Bundespatentgericht ausreicht, die auch in Streitsachen erforderlichen Kenntnisse in die Arbeitsweise eines Gerichts zu vermitteln. Allenfalls könnte darüber nachgedacht werden, das bisher nur optionale Praktikum bei einem Gericht für Patentstreitsachen verpflichtend zu gestalten oder die Vertretungsbefugnis auf diejenigen zu beschränken, welche das Praktikum absolviert haben.

2.

Eine andere Frage, bei der wir um Unterstützung bei den entsprechenden Institutionen der Europäischen Union ersuchen, ist die Vertretung vor dem EuG und dem EuGH. Konkreter Anlass sind die Pläne der Kommission für die Erschaffung eines einheitlichen ergänzenden Schutzzertifikats, welches wir als logische Konsequenz nach der Schaffung eines Patents mit einheitlicher Wirkung sehr begrüßen. Für deren Erteilung soll das EUIPO zuständig werden. Als Rechtsmittel stünden dann, wie aus dem Marken- und dem Designanmeldeverfahren bekannt, die Beschwerde bei den Beschwerdekammern sowie Klagen gegen das EUIPO vor dem EuG und eine rechtliche Überprüfung durch den EuGH zur Verfügung.

Vor dem EUIPO sind neben Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen bekanntlich auch Patentanwälte und Patentanwältinnen mit einer nationalen Zulassung als Vertreter zugelassen, soweit sie in den entsprechenden Verfahren auch vor ihrem nationalen Patentamt zur Vertretung berechtigt sind. Beim EuG und EuGH sind allerdings nur Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen als Vertreter zugelassen. Bei der Erteilung und der Überprüfung der Rechtsbeständigkeit gerade von ergänzenden Schutzzertifikaten spielen in der Praxis vor allem technische Fragen eine Rolle, bei denen eine rein rechtliche Qualifikation nicht ausreichend ist. Zum Beispiel ist immer zu klären, ob ein Produkt von einem Basispatent geschützt ist und ob das Produkt bereits durch ein älteres Schutzzertifikat geschützt ist; es wird dabei beispielsweise zu klären sein, ob ein Derivat wie ein Salz oder Ester, eine Wirkstoffkombination im konkreten Fall zu einem neuen Erzeugnis führt. Aus diesem Grund werden Anträge auf Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten in der überwiegenden Mehrzahl von Patentanwälten und Patentanwältinnen betreut, die in der Regel auch vor dem Europäischen Patentamt zugelassene Vertreter sind.

Qualitativ gute gerichtliche Entscheidungen brauchen einen fundierten Sachvortrag der Parteien. Dieses ist aus den vorgenannten Gründen aber nur durch Patentanwälte und Patentanwältinnen möglich. Daher und um den Rechtssuchenden eine kontinuierliche Rechtsberatung und -vertretung zu ermöglichen, ist es aus unserer Sicht unerlässlich, dass auch in Fällen der Klagen vor dem EuG auf die Expertise von Patentanwälten zurückgegriffen werden kann.

Nichts anderes gilt auch für die Marke oder das Design: Patentanwältinnen und Patentanwälte melden die Marke oder das Design an und vertreten die Parteien in Widerspruchs- oder Löschungsverfahren ebenso wie in entsprechenden Beschwerdeverfahren vor den Beschwerdekammern. Kommt es dann zur Klage vor dem EuG, muss die Akte jedoch an einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin abgegeben werden. Selbst die Möglichkeit der Mitwirkung ist hier äußerst fraglich, da sie nicht geregelt ist. Auch in diesen Verfahren ist daher im Interesse einer kontinuierlichen Rechtsberatung und -vertretung ein volles Vertretungsrecht für Patentanwältinnen und Patentanwälte geboten.